Schweinehunde / Roman
Pult, damit auch diejenigen, die nicht so finanzkräftig waren, sich eine Prepaidkarte kaufen konnten und ebenfalls zu Wort kamen. Andere warfen einen Blick in ihre Geldbörsen und durchwühlten ihre Hosentaschen.
Der Funke sprang über. Wie ein Strohfeuer breitete sich unter den auserwählten dänischen Gymnasiasten der Drang aus, sich zu bekennen.
[home]
30
K onrad Simonsen sah sich in Helmer Hammers Wohnzimmer um. Es war geschmackvoll im ursprünglichen Stil restauriert worden, mit hohen Vertäfelungen aus kubanischem Mahagoniholz und sorgsam ausgeführten Stuckarbeiten an der Decke. Der abgeschliffene Boden war mit Pfeifenton geweißt worden. Er blickte aus dem Fenster, bis ihm ein Jogger mit etwa seiner Figur auffiel, der um den See lief und ihm ein schlechtes Gewissen machte. Er trat vom Fenster weg und betrachtete die Bilder an der gegenüberliegenden Wand. Es waren vier Originallithographien von Hans Scherfigs naiven Elefanten. Sie waren schön und passten gut zum Ambiente.
»Sie wissen schon, dass er Kommunist war?«
Er drehte sich überrascht um. Hinter ihm stand ein etwa sechzehn Jahre altes Mädchen. Sie hatte schwarze, ungekämmte Haare, trug eine abgewetzte Jeans und einen Ring in der Nase. Der knallrote Lack auf ihren Fingernägeln blätterte ab, ihre Strickjacke war an einem Ärmel aufgerissen, und sie trug zwei verschiedene, sehr ausgetretene Turnschuhe, einer war offen, während der andere überhaupt keinen Schnürsenkel mehr hatte. Ihr klarer Blick strahlte Intelligenz aus.
»Vater hat alle seine Bücher aufgehoben, sogar die Jahrbücher von
Land og Folk.
Er hat sie in seiner roten Phase gesammelt.«
Konrad Simonsen wusste nicht recht, was er sagen sollte, und begnügte sich mit einem entgegenkommenden Lächeln.
»Ist dein Vater weg?«
»Er telefoniert, es scheint wichtig zu sein. So ist das immer, ständig ist alles wichtig, das nervt wirklich. Sollen Sie nicht herausfinden, wer die fünf Männer in Bagsværd hingerichtet hat?«
»Ja, ich und viele andere.«
»Ich hoffe, Sie kriegen ihn nicht.«
Sie sagte das ohne jede Aggression, es klang eher wie ein ganz selbstverständlicher Standpunkt, der respektiert werden musste. Gegen seinen Willen war Konrad Simonsen beeindruckt von ihrer Selbstsicherheit.
»Und warum hoffen Sie das?«
»Na, weil die Männer Pädophile waren.«
Tags zuvor hatte er dieses Gerücht mindestens zehnmal dementiert. Sie hatten sogar eine Pressemeldung verschickt, was in einem solchen Zusammenhang – soweit er wusste – bisher nie geschehen war. Die Toten hatten sie noch nicht identifiziert, und jede Äußerung über ihre sexuellen Neigungen war reine Spekulation. Andererseits deuteten seine letzten Ermittlungen darauf hin, dass das Gerücht möglicherweise der Wahrheit entsprach. Er hatte aber keine Lust, den Tag dort zu beginnen, wo er den gestrigen beendet hatte, und ganz sicher nicht vor dem Frühstück, weshalb er sie nicht korrigierte. Es hätte sicher ohnehin nichts an ihrer Einstellung geändert. Er wählte einen anderen Ansatzpunkt und sah ihr direkt in die Augen.
»Als ich das letzte Mal ins Gesetzbuch geblickt habe, stand da nichts davon, dass man Pädophile einfach umbringen darf.«
Sie antwortete ihm mit festem Blick und freundlicher, etwas spöttischer Stimme, als spräche sie zu ihrem kleinen, nicht sonderlich hellen Bruder.
»Wenn Sie auf der Suche nach etwas sind, das erlaubt ist, ist das Strafgesetzbuch vermutlich nicht der richtige Ort.«
Verärgert blickte er weg.
Ihr Vater, der endlich sein Telefonat beendet hatte, rettete die Situation.
»Und wenn du jetzt nicht gleich deinen Ranzen nimmst und verschwindest, kannst du als Ersatz für dein Taschengeld Zeitungen austragen.«
Helmer Hammers Zurechtweisung klang aufgesetzt. Es war ihm anzusehen, dass er stolz auf seine Tochter war, was man ihm nicht verübeln konnte.
»Ja, liebster Papa!«
Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und fügte sich. Fast, denn in der Tür drehte sie sich noch einmal um und sah sie mit einem Blick an, mit dem man einen Tiefkühlschrank hätte abtauen können. Ihre letzten Worte galten Konrad Simonsen.
»Vater spricht immer nett über Sie, er mag Sie gern, er kann das nur nicht zeigen. Das ist eine seiner Schwächen. Viel Spaß noch!«
Der Schnürsenkel schleifte hinter ihr her, als sie ging.
Das Frühstück war phantastisch, was man von dem darauf folgenden Gespräch leider nicht sagen konnte. Er begann mit den wenigen guten Neuigkeiten aus der
Weitere Kostenlose Bücher