Schweinehunde / Roman
»Das muss ein Versehen gewesen sein, es war ja schon spät. Sie sehen also, wir haben die Polizei bis ins letzte Detail informiert.«
Helmer Hammer antwortete der Frau, sah dabei aber den Direktor an: »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Bis jetzt sind sechs Menschen ermordet worden, und es gibt keinerlei Garantie dafür, dass nicht noch mehr Morde geschehen. Sollte sich später herausstellen, dass diese … nun, nennen wir es Verspätung, nachweislich Menschenleben gefordert hat, verspreche ich Ihnen, dass Ihre Handlungsweise noch ein langes gerichtliches Nachspiel haben wird.«
Der Direktor sah nicht so aus, als wünschte er sich ein langwieriges Verfahren. Er rutschte auf seinem Stuhl herum. Seine Juristin hingegen fletschte erwartungsvoll ihre chemieweißen Zähne.
Nun war Helmer Hammer an der Reihe. Er zog ein Papier aus seiner Innentasche. Poul Troulsen sah, dass es ein kurzer, handschriftlicher Text war, konnte ihn aber nicht entziffern. Nachdem der Direktor ihn gelesen hatte, erblasste er und blieb eine ganze Weile stumm. Dann fragte er: »Was wollen Sie?«
Helmer Hammer nahm das Blatt wieder an sich und sagte leise, aber ohne Umschweife: »Einen gebundenen Ausdruck aller Gespräche, die Anni Staal um zwölf Uhr mit den Lesern führt, inklusive freien Zugangs zu den Daten der Personen, die relevante Informationen über die Ermordeten haben. Und als Letztes die vorbehaltlose Zusammenarbeit von Anni Staal mit Poul Troulsen, wenigstens in den nächsten Stunden.«
Das Gesicht des Direktors wurde aschgrau, und seine Stimme stieg um eine Oktave.
»Das ist vollkommen ausgeschlossen. Wir geben die Namen unserer Informanten nicht …«
Er unterbrach sich, als Helmer Hammer sein Handy zückte und eine Nummer zu wählen begann. Resigniert wandte er sich seiner Juristin zu.
»Ich danke Ihnen, Sie waren uns eine große Hilfe.«
Es dauerte etwas, bis der Frau klar wurde, dass sie gehen sollte, doch nachdem der Groschen endlich gefallen war, erhob sie sich rasch, sammelte ihre Papiere zusammen und verließ den Raum mit angesäuerter Miene und ohne sich zu verabschieden. Die Männer warteten, bis sie weg war.
Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, als Helmer Hammer aufstand.
»Ich denke, ich mache mich dann auch auf den Weg, ich überlasse es Ihnen, die weiteren Details festzulegen. Ich bin sicher, Sie kommen zu einer vernünftigen Lösung. Poul, rufen Sie mich in einer halben Stunde an, wenn Sie sich einig geworden sind?«
Seine kühle Arroganz schmerzte. Der Direktor war es nicht gewohnt, sich mit Details und Kleinkram zu beschäftigen oder wie ein Laufbursche behandelt zu werden, doch aus Mangel an realistischen Alternativen fraß er die Demütigung in sich hinein.
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42
K onrad Simonsen konnte zu den Geschehnissen an diesem Sonntagmorgen nichts beitragen. Er schlief. Berücksichtigte man den Druck, unter dem er in der letzten Woche gestanden hatte, konnte man ihm deshalb keinen Vorwurf machen, erst recht nicht, wenn man sich sein Alter vor Augen führte. Und genau das tat seine Tochter Anna Mia, als sie sich in das Schlafzimmer ihres Vaters schlich und den Wecker ausschaltete, den er auf sechs Uhr gestellt hatte.
Der Mond stand klar am Himmel, und sein fahles Licht fiel auf das Gesicht ihres Vaters. Anna Mia saß lange still auf der Bettkante und beobachtete ihn. Sein Atem war besorgniserregend schwer, er schnaufte laut, und manchmal schnappte er richtiggehend nach Luft. Das Geräusch bedrückte sie, und sie ermahnte sich, dass sie sich bald persönlich um seine Diabetesbehandlung kümmern musste, und um seinen Zigarettenkonsum. Nach einer Weile wurde sein Schlaf wieder ruhiger. Sie streichelte ihm zärtlich über die Wange und deckte ihn richtig zu, bevor sie ging.
Es war bereits nach zehn, als der Leiter der Mordkommission verschlafen und verwirrt ins Wohnzimmer trat, wo seine Tochter und sein Ex-Chef geduldig mit dem Frühstück warteten.
Der alte Mann und die junge Frau hatten ihre Rollen längst verteilt, und Anna Mia begann die ihre zu spielen, noch ehe ihr Vater richtig wach war: »Heute Morgen ist ziemlich viel passiert, aber wir haben uns verbündet und dich schlafen lassen. Das heißt, Kasper, ich und dieser Hammer.«
Sie goss ihm Kaffee ein und zündete ihm eine Zigarette an, Letzteres war noch nie zuvor geschehen. Konrad Simonsen inhalierte gierig, und Kasper Planck fuhr fort: »Alle Ermordeten sind inzwischen mit hundertprozentiger Sicherheit identifiziert worden, es hat gerade
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