Schweinehunde / Roman
aber nicht beißen. Und weil Sie Ihre Rolle kennen und während des Treffens den Mund halten. Und weil die, die ihr Comtesse nennt, in Odense ist.«
Poul Troulsen lächelte gequält. Ein paar Straßen weiter brach Helmer Hammer dieses Mal das Schweigen.
»An was denken Sie?«
»Dass man es mit der Ehrlichkeit auch übertreiben kann. Sind Sie immer so direkt?«
Der Staatssekretär antwortete nicht. Im Radio kamen die Nachrichten, und beide hörten zu. Der Höhepunkt war ein kurzes Interview mit dem Justizminister, dem es trotz all seiner rhetorischen Finesse nicht gelang, seine peinliche Unwissenheit zu überspielen.
»Was für ein Narr«, bemerkte Poul Troulsen.
Helmer Hammer war in seinem Urteil weniger hart. Der Justizminister war seine einzige Schwachstelle, aber warum musste er sich auch von der Umwelt abschotten?
»Er ist ein Stehaufmännchen, der überlebt uns noch alle.«
Das Taxi war bald an seinem Bestimmungsort, und Poul Troulsen sagte provokant: »Sieh mal an – ein Willkommenskomitee der schlimmsten Aasgeier der Regenbogenpresse.«
Helmer Hammer stieß ihm in die Rippen. Ohne Effekt.
»Dieser dummen Schachtel drehe ich noch die Möpse ab.«
»Nein, das tun Sie nicht, Sie halten den Mund. Die Diplomatie ist nicht Ihr Ding.«
Als das Taxi hielt, fügte Helmer Hammer hinzu:
»Diese Worte haben übrigens schon weitaus wichtigere Männer als Sie schlucken müssen.«
Dann setzte er einen charmanten Gesichtsausdruck auf und stieg aus.
Die zwei Männer wurden in das gleiche Sitzungszimmer geführt, in dem Anni Staal am Freitagabend die Videoaufzeichnungen präsentiert hatte. An dem sorgsam gedeckten Tisch saß bereits eine Frau Mitte dreißig. Die Hausjuristin des
Dagbladet
erhob sich, gab ihnen die Hand und stellte sich vor. Dann nahm sie abwartend wieder Platz. Poul Troulsen spürte gleich so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ganz offensichtlich spielte auch sie nur eine Nebenrolle.
Die zwei Hauptakteure plauderten, während sie sich bedienten. Die Frau begnügte sich mit einem Glas Saft und Poul Troulsen mit einer Tasse schwarzem Kaffee. Nach drei Brötchen und einem Croissant kam der Direktor endlich zur Sache.
»Da Sie um dieses Gespräch gebeten haben, wäre es vielleicht logisch, wenn Sie mir sagen würden, was wir für Sie tun können.«
»Bitte lassen Sie dieses Getue, meinen Sie nicht, dass Sie uns eine Erklärung schulden?«, antwortete Helmer Hammer überraschend scharf.
Und obwohl er den Mund halten sollte, ergänzte Poul Troulsen:
»Immerhin haben wir es hier mit einem Paradebeispiel von zurückgehaltenem Beweismaterial zu tun, und Sie …«
Weiter kam er nicht. Helmer Hammer stoppte ihn mit einer Handbewegung, der er zu seiner eigenen Verwunderung Folge leistete, so dass der Satz unvollendet in der Luft hängen blieb. Aber ihr Gastgeber nahm den Faden wieder auf. Er sah auffordernd zu seiner Kollegin hinüber.
»Vielleicht sollten wir erst über den Punkt Beweismaterial sprechen. Wären Sie so freundlich?«
Die nächsten zehn Minuten mussten sie langatmigen juristischen Spitzfindigkeiten lauschen, bis die Frau triumphierend schloss:
»Außerdem haben wir das Beweismaterial samt einem Begleitbrief bereits in der Nacht zum Samstag an die Polizeiwache in der Store Kongensgade geschickt. Das Material ist dort gegen zwei Uhr eingegangen. Aus dem Brief ging deutlich hervor, dass die Videos möglicherweise in Zusammenhang stehen mit der polizeilichen Ermittlung der Pädophiliemorde, und dazu waren wir nicht im Geringsten verpflichtet.«
»Haben Sie eine Kopie dieses Briefes?«
Noch bevor jemand etwas sagen konnte, zog sie zwei Exemplare des Schreibens aus ihrer Tasche und reichte sie den Gästen. Poul Troulsen und Helmer Hammer bedankten sich, und der Direktor goss sich zufrieden einen Kaffee ein und bot die Kanne galant seiner Juristin an, die sich aber mit einem Kopfschütteln bedankte. Die Gäste lasen sich das lange Schreiben durch. Es war verschachtelt und unnötig kompliziert. Was man mit acht Zeilen hätte erklären können, war auf dreieinhalb Seiten ausgedehnt worden, und erst auf der Mitte der zweiten Seite hatte der Leser eine reelle Chance, sich einen Eindruck von dem Inhalt dieses Briefes zu verschaffen. Helmer Hammer war als Erster fertig.
»Tja, kein Wunder, bei diesem Brief konnten Sie ja davon ausgehen, dass er im Mülleimer landet. Zumal Sie auch ganz bewusst ein anderes Briefpapier verwendet haben.«
Die Juristin entschuldigte sich halbherzig.
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