Schweinehunde / Roman
fallen, das zwischen ihnen auf dem Schreibtisch lag.
»Ursprünglich wollte ich in die Gudme-Halle fahren, um mit ihm zu reden. Da läuft ein Wettkampf der Ringerjugend, und diese Veranstaltungen lässt er sich in der Regel nicht entgehen, aber den Gedanken habe ich fallen lassen. Er wird mir doch nicht auf meine Fragen antworten. Dabei wäre es in seinem Interesse, uns zu helfen. Trotzdem weiß ich, dass er mich nicht unterstützen, sondern dichtmachen wird wie eine Auster, bis ich aufgebe und wieder verschwinde. Ich wünschte, er hätte eine Offenbarung und würde plötzlich erkennen, dass er seine Bürgerpflicht tun und mir Informationen aus seinem … Milieu geben muss. Das würde mich glücklich machen.«
Ihr Zuhörer begann langsam zu verstehen.
»Das würde Sie glücklich machen?«
»Ja, aber sicher. Allein schon der Gedanke, dass ihn jemand überreden könnte, sich mit mir zu treffen, lässt meine Laune ein bisschen besser werden.«
»Sie wollen also, dass wir …«
Sie unterbrach ihn scharf.
»Ich kann doch nicht beeinflussen, wer mit wem über was redet. Aber freuen würde es mich schon, wenn er sich heil und gesund mit mir für einen kleinen Plausch treffen würde. Bitte seien Sie so gut und wiederholen Sie die Worte
heil und gesund.
«
»Heil und gesund. Ich verstehe schon, vorsichtig wie mit einem Lämmchen. Wir schlagen nicht zu. Nie wieder, nie, nie wieder.«
»Das hört sich in meinen Ohren ungeheuer vernünftig an, aber oje, wie spät es schon ist. Ich habe eigentlich gar keine Zeit mehr, hier zu sitzen und mit Ihnen zu plaudern. Warten Sie, bis Sie das
Dagbladet
sehen, dann wissen Sie, warum ich es so eilig habe. Außerdem spielt GOG heute Abend zu Hause gegen Randers. Die Frauenmannschaft. Dieses Spiel darf ich auf keinen Fall verpassen, wenn ich schon mal in Odense bin. Erst Handball und dann einen Kaffee in der Cafeteria. Ab Viertel nach zehn.«
Die Comtesse stand wieder auf.
»Ich gehe jetzt nach draußen und erkundige mich, ob der Wachhabende bereit ist, Sie gehen zu lassen. Ich habe während unseres Gesprächs doch festgestellt, dass ich noch einmal in Ruhe in mich gehen und überlegen muss, ob ich Sie wirklich anklagen will. Aber schauen Sie nicht in meine Papiere, während ich weg bin.«
Sie schloss die Tür hinter sich und fügte müde hinzu: »Glücklicher Trottel.«
[home]
44
D as Polizeipräsidium in Kopenhagen ist ein monumentales Gebäude. Von außen wirkt es mit seinen schmucklosen, etwas verwahrlosten grauen, grob verputzten Wänden hart und abweisend. Nur der Haupteingang ist jeweils rechts und links der Kolonnade mit einem massiven Gitterkäfig versehen. Über den auffälligen, kategorischen Symbolen thronen überdies zwei stilisierte, goldene Morgensterne, um auch noch die letzten Zweifel auszuräumen. Der Rest des langen, geraden, sich über mehrere Straßen erstreckenden Gebäudekomplexes ist durch endlose Fensterreihen gekennzeichnet, wobei sich alle Fenster nach innen öffnen, um die Strenge der Fassade nicht zu brechen.
Kasper Planck wurde auf dem Vorplatz etwas langsamer, und Konrad Simonsen passte seine Schritte an, was ihm Zeit gab, die Architektur zu genießen. Der nüchterne Stil des Präsidiums hatte ihm schon immer gefallen. In seinen Augen strahlte das rhythmische Gebäude seiner Funktion entsprechend eine angenehme Aura von Disziplin aus. Im Inneren hingegen kam ihm der Komplex zwanghaft funktionell und stilistisch uneinheitlich vor, wie ein spanisches Kloster mit falscher Ornamentik und Art-déco-Beleuchtung auf den Toiletten. Den berühmten, kreisrunden Innenhof mit seinen zahlreichen pseudoantiken Doppelsäulen und der überflüssigen Balustrade im dritten Stock fand er richtiggehend abstoßend. Überdies kam erschwerend hinzu, dass von dem runden Hof ein wahres Labyrinth aus gebogenen Gängen verschiedener Länge abging, das eine Orientierung für Neuankömmlinge beinahe unmöglich machte.
Konrad Simonsen ging auf direktem Weg zum Morddezernat, verlor dabei aber Kasper Planck, der einen alten Kollegen getroffen hatte. In den Räumen der Kriminalpolizei angekommen, klopfte er an Arne Pedersens Tür und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
Arne Pedersen stand ganz hinten im Zimmer. Er telefonierte, unterbrach das Gespräch aber abrupt, als sein Chef hereinkam. Konrad Simonsen warf seine Jacke auf den Garderobenständer in der Ecke.
»Klär mich mal über den Status quo auf, Arne.«
»Die Identität der fünf Opfer steht jetzt zweifelsfrei
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