Schweinehunde / Roman
misstrauisch an.
»Den Dimitrow? Den Generalsekretär der Komintern?«
»Genau. Georgi Dimitrow Michajlow höchstpersönlich.«
Die Comtesse hatte diesen Namen bis zum Abwinken gehört. Die Untermieter ihres Elternhauses waren Flüchtlinge aus Bulgarien; ein älteres, freundliches Ehepaar, das kleinen Mädchen Bonbons und Saft anbot und dabei in gebrochenem Dänisch Geschichten aus der weiten Welt erzählt und Georgi Dimitrow Michajlow auf eine Weise verflucht hatte, dass die Comtesse sich auch noch vierzig Jahre später an diesen Namen erinnerte. Die Alte war interessiert.
»Erzählen Sie schon.«
»Nein, nein, alles der Reihe nach. Sie zuerst. Erzählen Sie mir von Thor Gran, und nur von Thor Gran, wenn Sie denn überhaupt etwas über ihn wissen. Anschließend sage ich Ihnen dann etwas über den Generalsekretär des Komitees.«
Die Frau dachte nach. Sie war misstrauisch geworden.
»Der Generalsekretär der Komintern.«
»Ja, natürlich, selbstverständlich. Das weiß doch jeder.«
Endlich erklärte die Alte sich bereit, ihr Wissen zu teilen.
»Ja, also, ich bin ja gelernte Schusterin, und Anfang der dreißiger Jahre habe ich bei Thor Grans Vater gearbeitet, dem Schuhfabrikanten und Börsenspekulanten. Ich war Vertrauensfrau, und der Betrieb hatte ja damals schon mehr als hundert Angestellte, das war also schon etwas. Das Haus des Fabrikanten lag direkt neben der Fabrik, so dass wir mitbekamen, wie der Sohn des Hauses heranwuchs. Ein schlechter, überheblicher Junge, der seine Finger nicht bei sich behalten konnte, als die Zeit kam. Aber dabei blieb es nicht. Wir verstanden es schon, diesen Welpen in seine Schranken zu verweisen. Schlimmer war es mit den beiden kleinen Mädchen des Gärtners. Solche Geschichten wollen Sie doch hören, oder?«
Die Comtesse nickte. Sie fragte sich, ob die Frau das alles nur erfand und sich deshalb erst vergewissern wollte, dass ihr Märchen auch den Erwartungen entsprach.
»Das ging eine ganze Weile, bis er eines Tages im wahrsten Sinne des Wortes mit heruntergelassener Hose erwischt wurde. Da war natürlich die Hölle los. Der Gärtner – er liebte seine Kinder – drohte mit der Polizei, aber der Alte konnte ihn besänftigen und mit Geld abspeisen. Man konnte es ja nicht mehr ungeschehen machen, und den Mädchen würde es mit Geld in der Tasche auf jeden Fall bessergehen, auch wenn sein missratener Sohn natürlich eigentlich hinter Schloss und Riegel gehörte. Ich führte damals die Verhandlungen, der Gärtner wollte das so. Hören Sie mir zu?«
»Ja, ja, ich bin ganz Ohr.«
»Ja, also, der Fabrikant war zwar ein kleiner Kapitalist, aber ein ehrlicher Mann. Er hat tief in seine Tasche greifen müssen, das kann ich Ihnen sagen. Vierzigtausend Kronen für jedes Kind und weitere zwanzigtausend für ein neues Heim der Familie auf Bornholm. Das war damals richtig viel Geld, aber die Mädchen haben vermutlich trotzdem einen bleibenden Schaden zurückbehalten, ich weiß nicht, ob das wirklich geholfen hat. Nach einer soliden Tracht väterlicher Prügel wurde der Sohnemann dann auf eine Schule in England abgeschoben. Diese Strafe war aber sicher der leichteste Teil der Abmachung.«
Die Comtesse ließ das unbeeindruckt. Zum einen lag diese Episode mehr als vierzig Jahre zurück, zum anderen war es mit der Glaubwürdigkeit der Alten nicht weit her. Gleichzeitig spürte sie aber auch, dass der alte Haudegen etwas zurückhielt. Die Comtesse setzte alles auf eine Karte.
»Aber Sie haben diese Geschichte natürlich der Partei erzählt, und als Thor Gran aus England zurückkam …«
Sie ließ den Satz in der Luft hängen. Die Alte antwortete nur widerwillig: »Ja, da hat er uns hin und wieder einen Dienst erwiesen. Sicher.«
»Und nachdem die Partei sich aufgelöst hat, ist er Ihnen weiterhin zur Seite gestanden?«
Die Alte sprühte vor Wut.
»Die Partei lebt. Sie wird immer leben. Außerdem hatte er Geld genug, er hatte ja sein eigenes Architekturbüro.«
»Wie viel?«
Es verging einige Zeit, bis sie antwortete.
»Das kam darauf an, ein paar Hunderter, fünf, wenn er hier war.«
Die Comtesse verbarg ihre Überraschung.
»Er hat Sie besucht?«
Die Frau zeigte auf eine Vase, die auf einem Teakregal hinter ihnen stand.
»Nehmen Sie die mal runter.«
Die Comtesse holte die Vase. Ein billiges Stück, verziert mit griechischen Motiven, drei tanzende Frauen. Sie schüttelte sie und hörte ein metallisches Scheppern.
»Und was bewahren Ihre drei Grazien da auf?«
Die
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