Schweinehunde / Roman
der Beweis, dass er pädophil war. Ich weiß nicht mal, ob ich da wirklich etwas bewirken kann, aber Konrad ist total davon besessen, diese Frage heute noch zu klären.«
»Du meinst, ich soll deinen Kontaktmann übernehmen? Kann man das Treffen nicht verschieben?«
»Warum denn? Kümmere du dich darum, das schaffst du schon. Ich erzähle dir nachher, wie das alles ablaufen soll, das Setting ist ein bisschen speziell.«
»Okay, einverstanden, aber können wir vorher nicht noch das mit den Filmen regeln?«
Die Comtesse starrte ein paar Sekunden lang vor sich hin und sagte dann langsam: »Ich denke, du hast recht. Du solltest unbedingt einen dieser Filme sehen. Das stellt die Dinge irgendwie in einen Zusammenhang. Wir können bei dem Haus vorbeifahren und ein Video und einen Laptop mit ins Hotel nehmen, aber ich warne dich. Das ist wirklich keine leichte Kost, im Gegenteil, es ist schlimmer, als man denkt.«
Pauline Berg nickte ernst und wechselte das Thema: »Was ist mit diesem Handballspiel? Muss ich das auch sehen? Kann ich mit dem Ticket nicht einfach in die Cafeteria gehen, ich interessiere mich nicht so für Sport?«
Die Comtesse grinste.
»Wenn du dir Kinderpornos angucken kannst, um dich fachlich weiterzubilden, kannst du dir auch ein Handballspiel angucken.«
So geschah es.
Drei Stunden später wünschte die Comtesse sich nichts mehr, als die Rollen wieder zu tauschen. Während Pauline Berg das Handballspiel sah, saß sie in Århus mit einem lokalen Kollegen zusammen und platzte fast innerlich vor Verärgerung über ein sicher gut neunzigjähriges Politfossil, das nach Aussage der Privatpflegerin hässliche Dinge aus Thor Grans Jugend zu berichten wusste. Die alte Frau hätte das vermutlich auch können, geistig war sie dazu allem Anschein nach noch fit genug, sie tat es aber nicht.
Die Frau war seit über fünfundsiebzig Jahren überzeugte Kommunistin. Früher hatte man sie Stalin-Sally oder Russen-Sally genannt, und sie hatte diesen Spitznamen mit Stolz getragen. Noch stolzer war sie allerdings darüber, dass sie einmal eine Rede von Beria gehört hatte.
»Lawrenti Beria höchstpersönlich. Das war 1937 in Tiflis anlässlich einer speziell einberufenen Parteiversammlung. Ich saß in der zweiten Reihe und hörte die berühmte Rede, in der er ein Netz von Verschwörungen und verräterischen Aktivitäten in ganz Transkaukasien entlarvte, bis hinauf ins Zentralkomitee von Armenien. Dieser kleine, attraktive Megrele konnte die Menschen wirklich in seinen Bann ziehen und zum Zuhören zwingen. In den Straßen jubelten alle und forderten die Bestrafung der faschistischen Verbrecher und trotzkistischen Abweichler, so dass kurzer Prozess gemacht wurde, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Zur Unterstreichung fuhr sie sich mit ihrer runzeligen Hand über die Kehle. Die Comtesse schüttelte langsam den Kopf und sagte zum mindestens fünften Mal: »Was ist jetzt mit Thor Gran? Sie haben mir versprochen, etwas über Thor Gran zu erzählen. Deshalb sind wir hier.«
»Auf den komme ich auch noch zu sprechen, aber das hängt ja alles zusammen. Ich kann Ihnen wirklich ein paar Dinge über ihn erzählen, ich denke, Sie werden das gebrauchen können«, sagte sie und fuhr mit ihrer irrelevanten Hymne fort. Nachdem sie eine Weile später mit der Lobpreisung Berias zum Ende gekommen war, begann sie mit der von Alexandra Kollontai, die sie höchstpersönlich während des Krieges in Stockholm getroffen hatte. Nach ihr folgte Richard Jensen, der Schiffsheizer, der den Parteivorsitzenden als Verräter entlarvt hatte, noch ehe dieser wirklich zum Verräter geworden war.
Nach einer Weile Leerlauf und der dann folgenden
Tour de Force
durch die Glückseligkeiten des Kommunismus warf der Polizist, der die Comtesse begleitete, das Handtuch. Er ging mit der Bemerkung, dass er in der Zentrale der örtlichen Krankenkasse schon einmal hinter Vivi Bak gestanden habe, Vivi Bak höchstpersönlich. Außerdem habe er auf dem gleichen Klo geschissen wie Prinz Joachim, wirklich auf exakt demselben.
Die Comtesse blieb. Sie glaubte, die Alte durchschaut zu haben. Vermutlich war sie auf ihre eigene, rote Weise einfach nur versnobt, ein Charakterzug, von dem auch die Comtesse sich nicht ganz freisprechen konnte. Speziell wenn sie in guter kommunistischer Tradition die Wahrheit ein kleines bisschen verdrehte. Irgendwann unterbrach sie die Alte lauthals: »Mein Großvater kannte Dimitrow.«
Die Frau hielt in ihrem Monolog inne und sah sie
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