Schweinsgalopp
Quästor«, meinte Ridcully. »Und ich dachte schon, er hätte sich erholt.«
Der Grund für den Schrei des Quästors lag auf dem Boden seines Schlafzimmers.
Es war ein Mann. Und ein toter obendrein. Kein lebendes Geschöpf trug einen solchen Gesichtsausdruck.
Einige der anderen Zauberer waren vor dem Erzkanzler zur Stelle gewesen. Ridcully schob sie beiseite.
»Bei den Göttern«, sagte er. »Was für ein Gesicht! Er scheint vor lauter Furcht gestorben zu sein! Was ist passiert?«
»Nun«, sagte der Dekan, »offenbar hat der Quästor den Schrank geöffnet und diesen Mann darin gefunden.«
»Ach? Ich kann mir kaum vorstellen, daß der arme alte Quästor jemanden sosehr erschreckt.«
» Nein, Erzkanzler. Die Leiche fiel auf ihn.«
Der Quästor stand in einer Ecke des Zimmers, und in seiner Miene zeigte sich die für ihn typische gutmütige Leere.
»Ist alles in Ordnung mit dir, alter Knabe?« fragte Ridcully. »Wieviel sind elf Prozent von 1276?«
»Einhundertvierzig Komma drei sechs«, antwortete der Quästor.
»Na bitte, alles bestens«, sagte Ridcully zufrieden.
»Wieso denn?« warf der Professor für unbestimmte Studien ein. »Er kann zwar rechnen, aber das bedeutet nicht, daß auch sonst alles in Ordnung ist mit ihm.«
»Oh, der Rest spielt keine Rolle«, sagte Ridcully. »Nur aufs Rechnen kommt’s an. Ich habe über Leute wie den Quästor gelesen. Sind plemplem und gleichzeitig hochintelligent. Man könnte sie als geniale Spezialisten bezeichnen.«
»Mir erscheint der Ausdruck ›spezialisierte Genies‹ weitaus angemessener«, murmelte der Dekan.
»Was auch immer. Solche Burschen wissen, auf welchen Tag der erste Gruni vor hundert Jahren fiel…«
»Dienstag«, sagte der Quästor.
»… aber sie sind zu blöd, sich selbst die Schnürsenkel zuzubinden«, sagte Ridcully. »Was macht eine Leiche in seinem Schrank? Und ich möchte jetzt keine geschmacklosen Antworten in der Art von ›nicht viel‹ hören. Seit der Sache mit Erzkanzler Eifer gab es bei uns keine Leichen mehr in Schränken.«
»Wir haben Eifer ausdrücklich darauf hingewiesen, wie sehr das Schloß klemmte«, entgegnete der Dekan.
»Aus reiner Neugier…«, sagte Ridcully. »Warum hat der Quästor um diese Zeit in der Nacht den Schrank geöffnet?«
Die Zauberer wirkten ein wenig verlegen.
»Wir haben ›Sardinen‹ gespielt, Erzkanzler«, erklärte der Dekan.
»Was ist das?«
»Es ähnelt dem üblichen Versteckspiel«, sagte der Dekan. »Aber wenn man jemanden findet, muß man sich ihm hinzugesellen, auch wenn’s eng wird.«
»Damit ich alles richtig verstehe«, brummte Ridcully. »Die ranghöchsten Zauberer dieser Universität haben den Abend damit verbracht, Verstecken zu spielen?«
»Oh, nicht den ganzen Abend«, sagte der Professor für unbestimmte Studien. »Wir haben uns auch mit einigen anderen Spielen beschäftigt, unter anderem mit einem Wettbewerb. Doch dabei gab’s Streit, weil der Oberste Hirte darauf bestanden hat, ›Chrom‹ mit K zu schreiben.«
» Ihr vertreibt euch die Zeit mit Spielen ?«
Der Dekan schob sich etwas näher.
»Es ist wegen Frau Schmitt«, sagte er leise. »Wenn wir nicht mitspielen, bricht sie in Tränen aus.«
»Frau Schmitt?«
»Die Fröhlichkeitsfee« erklärte der Dozent für die neuen Runen kummervoll. »Wenn wir nicht auf jeden Vorschlag eingehen, wackeln ihre Lippen wie… Wackelpeter. Es ist unerträglich.«
»Wir nehmen an den Spielen teil, damit sie nicht weint«, sagte der Dekan. »Es ist wirklich erstaunlich, daß eine einzelne Frau so viel weinen kann.«
»Wenn wir nicht fröhlich sind, kommen ihr die Tränen«, meinte der Professor für unbestimmte Studien. »Der Oberste Hirte versucht derzeit, sie mit Jonglieren abzulenken.«
»Er kann doch gar nicht jonglieren!«
»Ja, und ich glaube, das muntert die Fröhlichkeitsfee ein wenig auf.«
»Soll das heißen, ihr macht euch mit Kinderspielen zum Narren, um eine deprimierte Fee fröhlich zu stimmen?«
»Äh… ja.«
»Ich dachte, man müßte in die Hände klatschen und sagen, daß man an sie glaubt«, brummte Ridcully. »Stimmt das etwa nicht?«
»Das gilt für die kleinen, glänzenden Feen«, erwiderte der Dozent für neue Runen. »Nicht für jene Exemplare, die weite Strickjacken tragen, mit einem halben Dutzend Taschentüchern in den Ärmeln.«
Ridcully sah noch einmal auf die Leiche hinunter.
»Weiß jemand, wer das ist? Sieht mir ein bißchen wie ein Rüpel aus. Und wo sind seine Stiefel, wenn ich fragen
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