Schweinsgalopp
in Begleitung eines recht attraktiven Mannes von der Organisation für die Befreiung aller in Legebatterien eingepferchten Hennen. Bemerkenswert! Hier bin ich, ein ganz gewöhnlicher Hockeyspieler, und plötzlich ist mir klargeworden, daß ich der Sohn Gottes bin, und jetzt wohne ich mit fünfhundert frommen Anhängern in Empowerment, Südkalifornien. Wer hätte das gedacht?
Hier bin ich, dachte Susanne. Eine sehr praktisch denkende Gouvernante, die das Volumen eines Kegels schneller berechnen kann als die meisten Leute das Ergebnis einer einfachen Addition. Ich klettere hier durch den zahnförmigen Turm der Zahnfee, bewaffnet mit einem Schwert, das dem Tod gehört…
Schon wieder! Wenn doch nur einmal ein Monat, nur ein Monat, verginge, ohne daß so etwas passiert.
Stimmen erklangen weiter oben. Jemand sprach von einem Schloß.
Sie spähte über den Rand des Treppenhauses.
Weiter vorn schienen Leute ein Lager aufgeschlagen zu haben. Kartons standen herum, und Schlafsäcke lagen dazwischen. Zwei Männer saßen auf Kisten und beobachteten einen dritten, der vor der Tür in einer gewölbten Wand hockte. Einer der Fremden erwies sich als wahrer Riese. Es war einer jener eindrucksvollen Giganten, deren Erscheinungsbild irgendwie darauf hinweist, daß ein großer Teil des vermeintlichen Fetts unter der formlosen Kleidung in Wirklichkeit Muskeln sind. Der andere…
»Hallo«, ertönte es fröhlich an Susannes Ohr. »Wie lautet dein Name?«
Sie drehte sich langsam um.
Zuerst sah sie das graue, glänzende Auge. Kurz darauf kam das gelbweiße mit der punktförmigen Pupille in Sicht.
Um sie herum erstreckte sich ein freundlich wirkendes, rosarotes und weißes Gesicht, gekrönt von lockigem Haar. Es war eine jungenhafte, eigentlich sogar recht attraktive Miene. Doch die beiden nicht zueinander passenden Augen wiesen darauf hin, daß man sie jemand anders gestohlen hatte.
Susannes Hand bewegte sich, aber der junge Mann war schneller und zog die Schwertscheide hinter ihrem Gürtel hervor.
»Na, na!« tadelte er und wehrte Susanne mühelos ab, als sie nach dem Schwert zu greifen versuchte. »Na so was. Meine Güte. Das Heft aus weißem Bein, außerdem eine recht geschmacklose Verzierung mit dem üblichen Totenschädel-und-Knochen-Motiv… Dieser Gegenstand steht auf der Liste von Tods Lieblingswaffen an zweiter Stelle, nicht wahr? Donnerwetter! Genau das richtige Silvestergeschenk! Und es bedeutet, daß du Susanne Sto-Helit bist. Oh, der Adel. Ich würde mich verbeugen…« Der Mann tänzelte einen Schritt zurück. »Aber ich fürchte, dann stellst du irgend etwas Schreckliches an…«
Es klickte, und der Zauberer an der Tür schnappte aufgeregt nach Luft.
»Ja! Ja! Mit der linken Hand und einem hölzernen Dietrich! Das ist ganz einfach !«
Er merkte, daß selbst Susanne zu ihm hinsah, und daraufhin hüstelte er.
»Ich… äh… habe das fünfte Schloß geknackt, Herr Kaffeetrinken! Überhaupt kein Problem! Sie basieren auf Wuddels Okkulter Reihenfolge! Jeder Narr, der darüber Bescheid weiß, kann diese Schlösser öffnen!«
» Ich weiß darüber Bescheid«, sagte Kaffeetrinken, ohne den Blick von Susanne abzuwenden.
»Äh…«
Es war still, aber Susanne glaubte trotzdem zu hören, wie der Zauberer einen gedanklichen Rückzieher machte. Sehr hilfreich war dabei die Feststellung, daß Kaffeetrinken keine Zeit an Leute vergeudete, die er nicht brauchte.
»Mit einigen… sehr interessanten… Modifikationen«, sagte der Zauberer langsam. »Ja. Überaus kompliziert. Äh… ich sehe mir jetzt Schloß Nummer sechs an…«
»Woher weißt du, wer ich bin?« fragte Susanne.
»Oh, das ist ganz einfach «, erwiderte Kaffeetrinken. »Twurps ›Adelsstände der Fünfzehn Berge und Ebene von Sto‹. Euer Familienmotto lautet: Non temetis messor. Wir haben das Buch in der Schule gelesen. Ha, der alte Mericet nennt es den ›Leitfaden für die hohen Tiere‹. Natürlich lacht nur er darüber, sonst niemand. O ja, ich weiß eine Menge über dich. Dein Vater war sehr bekannt. Kam innerhalb kurzer Zeit ziemlich weit. Was deinen Großvater betrifft… Nun, das Motto – hältst du so was etwa für guten Geschmack? Du brauchst ihn natürlich nicht zu fürchten. Oder?«
Susanne versuchte, unsichtbar zu werden. Es klappte nicht. Ihre Präsenz blieb viel zu substantiell.
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest«, sagte sie. »Wer bist du?«
»Oh, Entschuldigung. Ich heiße Kaffeetrinken, Jonathan Kaffeetrinken. Zu deinen
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