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Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente

Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente

Titel: Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Falk
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Schläfe.
    »Bitte!«, wimmert plötzlich der Rudi aus seinem Sitz heraus. Den hatte ich schon komplett vergessen.
    »Ach, der Kollege Birkenberger möchte zuerst?«, fragt der Küstner und lacht.
    Der Rudi schüttelt kaum merklich den Kopf.
    Der Küstner wechselt die Waffe von meiner Schläfe an die vom Rudi. Dann drückt er ab.
    Klack.
    Der Rudi winselt.
    Bilder meiner Kindheit ziehen an mir vorüber. Mein erster Schultag, wo der Leopold Zuckungen gekriegt hat, weil er keine Schultüte hatte. Der Papa daraufhin losgerannt ist, um ihm eine zu besorgen. Die heißen Nachmittage barfuß mit der Oma im Erdbeeracker. Die heißen Nachmittage mit der Susi am Badeweiher. Werde ich die Susi je wiedersehen? Oder die Oma? Werde ich ihren hammermäßigen Kartoffelsalat noch mal essen können?
    Zurück in der Gegenwart kommt mir jetzt direkt der Hunger hoch.
    »Wenn Sie die Pizza nicht mehr mögen, dann geben Sie mir doch ein Stück«, sag ich aus reiner Verzweiflung heraus. »Jeder zum Tode Verurteilte hat das Recht auf eine Henkersmahlzeit.«
    »Das würde dir so passen, Freundchen«, sagt der arme Irre und beißt zu, als gäb es kein Morgen mehr.
    Dann muss er rülpsen.
    »Ich glaub, mir wird’s schlecht«, sagt er noch.
    Dann kippt er zur Seite.
     
    Nachdem der Rudi und ich unseren Weinanfall überstanden haben, schleppen wir den Küstner samt Pizzaschachtel zum Moratschek-Haus rüber. Ja, gut, zuerst muss ich den |191| Rudi davon abhalten, dem Küstner die Eier abzuschießen. Aber dann schleppen wir ihn hinüber. Oder sagen wir einmal, wir zerren ihn. An seinen Beinen. Dass der Kopf über das Kopfsteinpflaster hüpft, merkt der Küstner ja nicht. Der ist ja betäubt. In seiner Hosentasche finden wir den Schlüssel zum Haus. Wir öffnen die Tür, gehen rein und hocken ihn erst mal in einen Sessel. Dann befreien wir das völlig verstörte Ehepaar von seiner Heizkörperfessel.
    Der Küstner hockt wie verreckt im Sessel und schläft. Vor ihm steht seine Pizzaschachtel, zur Hälfte geleert. Die Frau Moratschek holt einen Fotoapparat. Dann machen wir ein paar erstklassige Fotos. Wie wir alle um den Küstner herumstehen. Vor ihm, hinter ihm, neben ihm. Wie wir der Reihe nach auf seinem Schoß sitzen. Wir malen ihm einen Hitlerbart. Und wir frisieren ihm eine Punkfrisur. Das ist lustig. Dann ruf ich die PI Landshut an und sag, sie sollen kommen. Alle, und zwar sofort. So geschieht es auch.
    »Ja, da legst dich nieder!«, sagt der Kollege von vorhin, der sich vor Lachen auf die Schenkel haut. Jetzt schaut er aber ziemlich blöd. »Wie sieht der denn aus?«
    »Wie halt Psychopathen so ausschauen, gell«, sag ich so. Er blickt sich um.
    »Ah, eine Pizza! Hervorragend. Ich hab noch gar nichts gegessen. Darf ich?«, fragt er und deutet auf dem Küstner seine Schachtel.
    »Nur zu!«, sag ich. Zehn Minuten später schläft auch er wie ein Kleinkind.
    »Scheint ziemlich anstrengend zu sein bei euch«, sag ich zu seinem Kameraden. »Oder ist er womöglich besoffen?«
    »Erlaube mal«, sagt der dann.
    Nein, der Franz erlaubt nicht. Höchstens, dass sie den Küstner einpacken und mitnehmen. Und den besoffenen Polizisten gleich dazu. Weil nämlich jetzt Feierabend ist.
    |192| Wie die Mörder- und Gendarmtruppe von dannen zieht, trinken wir erst mal ein Schnapserl auf den Schrecken.
    »Was hat er eigentlich vorgehabt, der Küstner? Wollte er mit Ihnen eine WG gründen?«, fragt der Rudi und grinst. Offenbar hat er seinen Humor wiedergefunden. Seine Gesichtsfarbe jedenfalls kommt ganz allmählich zurück.
    Der Moratschek grinst gar nicht.
    »Ich war in Lebensgefahr, Freundchen«, sagt er mit finsterem Gesicht. Dabei fällt mir der Papa ein.
    »Ach, sind S’ doch so gut und rufen mal kurz den Papa an«, sag ich und reich ihm mein Telefon rüber. »Der macht sich große Sorgen.«
    Das macht er sofort.
    »Eberhofer!«, ruft er in den Hörer. »Ich war in größter Gefahr.«
    Und dann erfahren wir im Laufe des Telefongesprächs, dass der Küstner an das Geld ranwollte. An das Geld der Moratscheks. Und dass er vorhatte, morgen in aller Herrgottsfrüh mit dem Richter zur Sparkasse zu wandern, immer den Colt im juristischen Rücken, und dort die Konten zu leeren. Vielleicht würde er ihn danach sogar am Leben lassen, hat er immer wieder gesagt. Aber eben nur vielleicht. Ganz besonders gefreut hat er sich dann, wie auch noch die Ehefrau in der Räuberhöhle eingetroffen ist. Weil: jetzt hat er ja noch nicht einmal selber zur Sparkasse gehen müssen.

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