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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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tatsächlich Linderung verschaffte.
    Also half sie Andi so gut es ging, sich zu salben. Sie betrachtete ihren Rücken im Spiegel und fragte bald: »Ist es genug? Denkst du, das ist genug?« Schließlich gab sie präzise Anweisungen an ihren Freund, indem sie mit dem Finger auf Stellen zeigte, wo er noch mehr auftragen sollte. »Hier musst du noch. Und da. Hier auch noch, bitte.«
    Andi genoss es, die Rundungen dieser Frau mit seiner glitschigen Hand abzufahren, ihre Haut zu berühren, ihre Muskeln zu erspüren. Mehr noch. Er freute sich, dass er endlich etwas für sie tun konnte. »Joghurt kühlt und nimmt die Schmerzen«, machte er Mut.
    Anna hörte es gerne und legte sich dann bäuchlings aufs Bett. Sie murmelte etwas von »Danke« und »Tut gut«. Andi hörte es nur undeutlich, denn sie hatte die Arme um ihren Kopf gelegt und nuschelte in das Kopfkissen. Ihr Rücken glitzerte wie ein Marmorsteinbruch in der Morgensonne.
    Andi humpelte zu ihr hin und betrachtete sie.
    Anna lag ausgestreckt auf dem Bett. Ihre Beine hatte sie eng aneinandergelegt. Die Füße waren ausgestreckt, wie bei einer Schwimmerin, die mit einem Kopfsprung ins Wasser taucht. Dadurch erschienen ihre Beine noch länger, als sie eh schon waren. Er nahm die ganze Gestalt seiner Begleiterin wahr, sog sie auf in sich, wie nur ein Künstler die vielzähligen Proportionen einer Statue von Michelangelo wahrnehmen und genießen kann. Mehr noch war Baumer von ihrem Selbstbewusstsein, ihrem ganzen Wesen fasziniert. Seine Begleiterin fühlte sich wohl in ihrem Leben und strahlte eine große Natürlichkeit aus.
    »Anna?«
    Sie lag still.
    »Ich habe dich gern.«
    »Hh?«, machte sie.
    Hatte sie geantwortet oder nur im Schlaf tief ausgeatmet?

    Anna.

    Nicht Maja.

    Plötzlich läutete das Handy. Baumer erschrak. Wer konnte jetzt noch anrufen? Es war Wachtmeister Stefan Heinzmann, der Kommissar Baumer informierte, dass die alte Amadio tot in ihrem Blute lag.

3
    Stefan Heinzmann berichtete seinem Freund akkurat, was er gesehen hatte. Er tat dies professionell, nicht abgestumpft, wusste nur zu gut, dass ein genauer Bericht dessen, was er in der Wohnung von Helen Amadio-Meier vorgefunden hatte, wichtig war, damit Andreas Baumer alle Informationen mitbekam. Diese Schilderung des Tatorts brauchte der Kommissar, um seine Arbeit machen zu können. Jedes scheinbar noch so unbedeutende Detail konnte entscheidend sein, um den Mörder dieser bemitleidenswerten Rentnerin zu finden und festzunageln.
    Heinzmann berichtete unaufgeregt. Er gab sich Mühe, genau zu beschreiben, was er wahrgenommen hatte. Baumer unterbrach ihn selten, musste praktisch nichts nachfragen, so präzise waren die Angaben des erfahrenen Polizisten.
    Heinzmann Stefan (Wm 1) rapportierte folgendes: »Die Wohnungstür war nur angelehnt. Auf der Höhe des Schlosses war das Holz des Rahmens auf einer Breite von ca. 2 bis 3 cm weggebrochen. Wahrscheinlich wurde ein Stemmeisen benutzt, um das Schloss aufzudrücken. Das Vorhängekettchen war mitsamt Schließe einfach aus dem trockenen Holz ausgerissen. Ich denke, ein einfacher Ruck hat genügt.«
    Der Wachtmeister machte eine Pause. Da Baumer aber keine Frage zu diesem Sachverhalt stellte, fuhr er fort mit seinem Bericht. »Der Eingangsbereich war normal. Die ganze Wohnung war ordentlich. Keine Spuren eines größeren Kampfes, nicht einmal im Wohnzimmer.«
    Ein Moment der Stille.
    Dann sagte Baumer: »Verstanden.«
    Heinzmann erzählte weiter. »Helen Amadio lag in der Mitte des Zimmers. Sie lag flach auf dem Rücken, die Beine waren leicht angezogen, die Knie aneinander.«
    »So wie Gewehre, die zusammengestellt werden, damit sie nicht umfallen?«, fragte Baumer. Er liebte es in Vergleichen und Bildern zu reden. Sie ersparen so viele Worte.
    »Ja, genau so wie zusammengestellte Gewehre. Die Absätze der Schuhe drückten in den schweren Teppich. Wäre sie auf glattem Parkett ermordet worden, dann wären die schlaffen Beine möglicherweise einfach weggerutscht. Die Arme lagen leicht vom Körper abgewandt. Die Handflächen zeigten nach oben.«
    »Hm«, sagte Andi.
    Heinzmann schwieg und wartete. Ihm schien, dass sich Baumer eine Frage zurechtlegte.
    Tatsächlich. Der Kommissar fragte: »Sah es so aus, als ob sie im Rückwärtsfallen die Arme auseinandergeworfen hätte, um das Gleichgewicht zu finden oder den Sturz abzumildern?« Während er fragte, schaute er zufällig Anna an, die sich auf dem Bett aufgerichtet hatte. Anna blickte ihn entgeistert an. Sie

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