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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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ich bin Polizist«, und musterte ihn dabei penetrant.
    Der Klinikchef blickte so neutral wie ein UN-Diplomat.
    Also erhöhte Baumer den Druck, während er seinen Blick kein Jota von dem groß gewachsenen Mediziner abließ. Er sagte: »Ich bin von der Kriminalpolizei.«
    Freundlieb blickte weiterhin neutral, als ob ihn das alles nichts anginge. Doch er zuckte eine winzige Spur zusammen. Das geschah unbewusst, weil es aus seinem Innersten kam. Sein Mund hatte sich für eine Zehntelsekunde ein wenig geöffnet, fast nicht zu sehen, aber sein spitziger Bart hatte sich bewegt. Und Baumer hatte es bemerkt. Er war überzeugt, dass sich Freundlieb Sorgen machte, weil er sich fragte, was die Polizei von ihm wolle.
    Der Arzt hatte sich erstaunlich schnell wieder im Griff und zeigte Baumer eine starre Maske. Er versuchte so zu tun, als ob ihn dass alles nicht wirklich interessierte – »Aha, Kriminalpolizei.« – aber so richtig gelang es ihm nicht mehr.
    Baumer wollte den Klinikdirektor nicht vom Haken lassen. Er redete weiter. »Kann ich ein paar Tage hierbleiben? Einfach bis die Schmerzen weg sind und ich wieder auf den Beinen bin. Ich habe einen Zusatz für Erste Klasse in meiner Krankenversicherung.«
    Freundlieb antwortete nicht sofort. Er musste diese Frage zuerst einordnen, versuchen zu ergründen, was dieser Polizist hier wollte.
    Das war ein weiterer Hinweis für Baumer, dass der liebe Herr Chefarzt nicht nur als Klinikdirektor dachte: Er würde gut an ihm verdienen können, und trotzdem zögerte er? Was hatte dieser Mann zu verbergen? Hatte er nur Angst, dass man die Steuerabzüge der Klinik unter die Lupe nehmen wollte, oder wusste er Bescheid über irgendwelche dunklen Machenschaften?
    Das Zögern von Freundlieb bemerkte natürlich auch Heinzmann, der nicht dumm war und diese Hinweise sehr wohl registriert hatte. Warum musste Dr. Freundlieb überlegen, ob er einen Patienten Erster Klasse aufnehmen wollte? Das hier war eine kleine Privatklinik und jeder Patient bringt bares Geld. Cash. Money. Mäuse. Kohlen. Stütz. Pinkepinke.
    Freundlieb kratzte sich die Nase. Sein Hirn hatte gearbeitet. »Wir können Sie leider nicht aufnehmen«, sagte er und zog den Mund zusammen.
    Es war offensichtlich, dass er einen möglichst plausiblen Grund für seine Absage suchte, damit er Baumer in unverdächtiger Weise ablehnen konnte. Der hochgewachsene Mediziner blickte seinen Assistenzarzt an, der bisher geschwiegen hatte, aber nun seinem Chef prompt zu Hilfe kam.
    »Wir sind überbelegt«, erklärte Firsov. Er legte den Kopf zur Seite und zog die Schultern hoch.
    »Tut mir leid. Sie sehen, es geht nicht«, bekräftigte der ergraute Direktor seinen Besuchern nochmals. Er hatte endlich seine überlegene Haltung wiedergefunden. »Sie müssen ins Spital zurück, wo sie behandelt wurden. Aber sie sind ja transportfähig.« Diese Feststellungen sprach Freundlieb halb zum Mann auf der Liege, halb zu seinem Assistenzarzt hin. Es waren sowohl Informationen an Baumer als auch bereits die Anweisungen für Firsov, was mit dem vermeintlichen Patienten und seinem Kumpel zu geschehen habe.
    So beendete der große Doktor Freundlieb seine Visite und er ging, wie er gekommen war. Ohne Verabschiedung verließ er gemessenen Schrittes den Raum. Er sah stur geradeaus, im Bewusstsein, dass hier alles perfekt geregelt war und auch ohne eine stündliche Inspektion weiter funktionieren würde. Firsov, seine rechte Hand, hatte die Situation im Griff, er vertraute ihm.
    Unbeirrbar schritt er hinaus. Ein Mann, fair und gerecht gegenüber allen und so rein und unbefleckt wie eine Jungfrau. Ein Unantastbarer, der über dem Gesetz steht.

    *
    Die beiden Polizisten mussten die Show zu Ende spielen. Ein Krankenwagen wurde bestellt, um Baumer ins Kantonsspital zu transportieren. Während der Wartezeit in der Aufnahme der Klinik Alpensonne konnten sich die Zwei nicht wirklich besprechen. Der kraushaarige Firsov blieb in der Notfallstation und ließ sie nicht mehr aus den Augen. Allerdings bemühter er sich, zugleich Abstand zu den zwei Polizisten zu wahren. Er wollte nicht erneut in ein Gespräch verwickelt werden. Das war offensichtlich. Heinzmann ging deshalb auf die Toilette und versuchte danach, abseits vom Assistenzarzt in ein Gespräch mit einer Krankenschwester zu kommen. Eine kleine Plauderei, das Natürlichste der Welt.
    Im gleichen Augenblick als der Wachtmeister auf die Schwester zuging, rief Baumer nach Dr. Firsov. Der konnte nicht anders, er musste zu

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