Schweizer Ware
mir.«
»Ich habe doch nicht auf dich gewartet, bin ja kein kleines Kind mehr.« Meier schickte noch ein paar Kraftausdrücke los und zog, ohne Ciao gesagt zu haben, die große Tür zu. Wie auf Kommando fuhr der sperrige Krankenwagen davon und ließ Baumer und Heinzmann zurück.
Die beiden Polizisten blickten einander an. Dann lachten sie los. Was für ein Tag! Mann o Mann. Heinzmann schlug seinen Arm herzhaft um Baumers Schulter. Dann kicherte er. »Du bist mir einer. Grandiose Idee, als Patient ins Spital gehen zu wollen.«
»Mhm«, lachte Baumer und streckte den Kopf nach vorne wie ein Pferd, das ein dargebotenes Zuckerstückchen erspäht hat.
Heinzmann frotzelte weiter. »Wirklich profimäßig dein Sturz. Habe beinahe selbst geglaubt, dass du dir wehgetan hast«, gluckste er und schlug mit der einen Faust in Andis Schulter, während er seinen Freund mit dem anderen Arm zu sich hin zog.
Der Kommissar kam ein wenig aus dem Gleichgewicht. »He, Achtung«, sagte er, lachte aber weiter spitzbübisch ob ihrer perfekt gescheiterten – also durchaus erfolgreichen – Aktion. »Pass auf, sonst bringst du mich doch noch ins Krankenhaus.«
»Nicht mehr nötig. Wir wissen alles, was wir an Infos haben wollten.«
»Firsov hat Dreck am Stecken«, presste Baumer triumphierend hervor. Er streckte den rechten Unterarm vor. Sein Stock wurde hochgehoben und vibrierte in der Luft, wie die Axt eines Scharfrichters, der zum Schlag ausholt. Am höchsten Punkt steht die Axt einen Moment still. Dann zittert sie einen Moment. Dann, dann zuckt sie und saust herunter.
Auch Heinzmann triumphierte. »Firsov steckt bis zum Hals im Dreck!«
»Dreck. Ja, der steckt voll im Dreck«, pflichtete Baumer erneut bei. Er hatte seinen ersten Verdächtigen.
»Und der liebe Freundlieb ist auch dabei«, höhnte Heinzmann.
»Der Doktor war zwar ganz cool«, sagte Baumer. »Aber nicht ganz. Hast du gesehen, wie es bei dem im Kopf gerattert hat. Der weiß etwas.« Der Kommissar schaute seinen Freund ekstatisch an und nickte wie wild. Ein Kind im Hungerwinter von 1917, das gefragt wird, ob es ein Stück Brot möchte.
Stefan Heinzmann dämpfte den Enthusiasmus seines Freundes. »Freundlieb war auffällig, ja das stimmt. Aber das muss noch nicht auf Schuld deuten.«
»Stimmt«, akzeptierte Baumer die Unschuldsvermutung für den Klinikdirektor. »Vielleicht vermutet der Spitzbart selbst, dass etwas nicht mit rechten Dingen in seiner Klinik zu- und hergeht, ist daher misstrauisch.«
»Das sollte er auch. In der Alpensonne geht was vor«, ratterte Heinzmann. »Verdammt noch mal. Der Firsov hat seinen Argwohn vor uns kaum verbergen können.«
»Vielleicht ist er einfach bei allen Polizisten so skeptisch. Die Leute aus dem Ostblock sind gegenüber den Behörden oft auf der Hut.«
»Nein, das ist zu einfach gedacht. Der Russki ist eindeutig zu nervös gewesen.«
»Eine ganz miese Show«, lachte Baumer.
»Ja. Der Mann holt den Klinikdirektor. Wozu? Einen eingebildeten Kranken hätte er selber abservieren können. Und er wollte nicht, dass ich mit den Leuten in der Klinik rede, funkte dauernd dazwischen. Der Firsov hat Dreck am Stecken. Dafür verwette ich meine Pension.« Dann wurde er ein wenig nachdenklich und zog seinen Polizeideckel vom Kopf. Leicht betrübt fügte er an: »Wenn wir nur wüssten, um welchen Dreck es sich handelt?«
*
Welchen Dreck gibt es in Basel? Gibt es speziellen Dreck? Gar einzigartigen? Stinkt der Abfall in Basel anders als in anderen Städten? Ist er fauliger, modriger, schwefliger, ätzender als in Zürich oder Chicago oder Berlin? Was passiert mit dem Müll? Bleibt er liegen wie in Mumbai, wo er von ein paar armen Teufeln mit bloßen Händen weggeschafft wird. Unberührbaren, bei deren Anblick ein Brahmane sofort wieder ins Haus geht und sich energisch die Hände wäscht, wenn sie das Erste sind, was er beim Verlassen seines Hauses sieht. Modert der Dreck in großen Abfalleimern wie in New York, wo die Dünste der übrig gebliebenen Reste von Riesenhamburgern und Megapizzas aus den Eimern kriechen und sich wie dichter Nebel in die Straßen legen? Wie stinkt der Dreck in Basel? Stinkt er überhaupt in dieser schönen Stadt oder wird er weggeräumt, bevor er beginnt, unangenehm zu riechen. Verbrannt als Rohstoff in der Kehrichtverbrennungsanlage bis davon nur noch sauberer Strom übrig ist, der teuer ins nahe Ausland verkauft wird. Hat in Basel alles Sinn und Zweck? Ist Basel eine Modellstadt? Leben hier keine Menschen,
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