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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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sondern Bürger, die keinen Schmutz und Dreck machen, sondern rohstoffreichen Kehricht produzieren. Gibt es in dieser Stadt nur Saubermänner, die allen Abfall akkurat sortieren und vorschriftsmäßig in die blauen Abfallsäcke stopfen, die man gegen Gebühr erwerben muss – zwei Franken pro 30-Liter-Bebbi-Sack.
    Baumer erinnerte sich daran, wie in Basel Anfang der 70-er Jahre das erste größere China-Restaurant seine Tore öffnete. Prompt kamen Gerüchte auf, man hätte hinter dem Restaurant im Abfall massenweise Whiskasbüchsen gefunden. Chinesen – servieren Katzenfleisch aus der Dose!, hatte er als Kind diese Verleumdung sofort geglaubt, als wären sie das Resultat einer mathematischen Gleichung.
    Jetzt, mit einiger Erfahrung im Berufsleben, ließ sich der Kommissar nichts mehr vormachen. Er konnte sehr wohl unterscheiden zwischen Gerücht und Fakt, zwischen Sein und Schein. Ein schöner Anzug? Kann jeder kaufen. Ein teurer Sportwagen? Vielleicht nur auf Kredit. Elitäre Sprache? Zu oft nur ausgrenzendes und abwertendes Geschwätz. Ein Titel? Leicht erworben aufgrund der gnädigen Geburt. Oder grad im Internet gekauft.
    Freundliebs und Firsovs Titel waren hingegen echt.
    Der Dreck, in dem sie steckten, ebenso.

10
    Kommissar Baumer und Wachtmeister Heinzmann waren zu Fuß von der Heuwaage Richtung Basler Stadttheater gegangen. Es waren nur ein paar Hundert Meter. Kurz vor dem Stadttheater waren sie in die Stänzlergasse abgebogen, weil sie ins Stoffero wollten, eine italienische Bar, die nur 20 Meter weit in dieser Gasse gelegen ist. Die Temperaturen waren zwar noch niedrig, aber die Sonne hatte den Platz vor der Bar schon genügend erwärmt, dass man draußen sitzen konnte.
    Die beiden Polizisten ließen sich in Designerstühlen von Philippe Starck auf der ebenerdigen Terrasse nieder und bestellten zwei Espressi. Andreas Baumer ging gegen Abend sehr gerne hierher. Das Stoffero war eine der ersten Bars in Basel gewesen, die bereits vor langen Jahren auf Italianità machte. Mittlerweile war sie so etwas wie ein Klassiker, ein echtes Original unter all den vielen Abfüllstationen und Frittierbuden, die wie Geschwüre einer überbordenden Profitsucht in ganz Basel wucherten. Niemand schien mehr etwas zustande bringen zu wollen in dieser Stadt. Alle wollten nur noch verkaufen und handeln – dealen! – ohne selbst irgendwas arbeiten zu müssen. Pinkepinke war ein berauschendes Gas, das in die Menschen eingedrungen war, wie der bittere Duft von Mottenkugeln in schlappe Kleider im Schrank. In diesem ganzen Gestank war die Bar nahe an der belebten Steinenvorstadt für die zwei Polizisten ein Ort geblieben, wo sie noch ohne Stress einen Kaffee trinken konnten. Gleich wie im ilcaffè identifizierten sich die Bediensteten mit der Firma und wirbelten gerne für ihre Gäste. Für dieses gemischte Volk – Leute von der Straße, ein paar Kunstschaffende, nicht selten ein paar Profis vom FC Basel – bedeutete das, dass sie ohne Brimborium rasch und effektiv und zugleich nett bedient wurden. Vor allem wurde kein Gast von einem anderen schräg angeschaut, hier waren alle willkommen.
    Baumer liebte das Stoffero auch wegen dessen Spezialitäten. Frische Sandwichs – Panini – die direkt im Stoffero zubereitet wurden. Für Baumer war ein solches Brötchen nicht selten der Ersatz für ein Nachtessen. Zwar hatte er einiges mehr im Kochrepertoire als Heinzmann mit seinen Spaghetti bolognese, aber der Kommissar kochte äußerst selten für sich selbst. Die unregelmäßigen Zeiten brachten es mit sich, dass er meist vergaß einzukaufen; und wenn er doch daran dachte, waren die Läden oft schon zu. Auch konnte es sein, dass er von seinen selbst gekochten, mit Mallorca-Meersalz gut gewürzten Bratkartoffeln zu Lachsstreifen mit Dill zu einer Leiche weggerufen wurde. Auch deshalb hatte er sich angewöhnt, am Abend als Alternative zu einem Nachtessen einfach im Stoffero ein Brötchen essen zu gehen. Das könnte er im Notfall grad mitnehmen, wenn man ihn riefe, um einem unglücklichen Opfer, dem die Lider noch nicht heruntergeschoben worden waren, noch einmal in die Augen zu sehen.
    Heute würde er sich aber Zeit nehmen, denn heute war ein guter Tag für Baumer. Er hatte einen Fall. Einen großen sogar – all die toten Frauen. Und er hatte einen Verdacht, der gekeimt war wie ein Maiskorn auf dem weiten Feld im Witterswil, das mächtig wuchs und bereits die übermannshohe Pflanze erahnen ließ.
    Kommissar Baumer war gut gelaunt und

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