Schweizer Ware
seinen Namen ausschreiben. Ein letzter Blick auf den Text:
Hallo, Anna. Es tut mir leid. Akku war grad fertig. Konnte dich daher nicht grad zurückrufen. Bin sofort nach Hause. Habe dich erneut angerufen. Wo bist du? Ich bin zu Hause. Ruf doch bitte an. Wie geht es dir? Geht es dir gut? Gruß Andreas
Das wollte ihm genügen. Er tippte die Nummer von Annas Handy ein, drückte auf die Senden-Taste. Das Gerät stellte die Verbindung ein, dann wurde die Nachricht übermittelt. Das Display zeigte an, wie Baumers Botschaft elektronisch zerstückelt in kleinen Portionen nach Griechenland verschifft wurde. Dann kam das Symbol dafür, dass die Meldung erfolgreich abgeschickt worden war.
Kaum versandt, kamen Baumer Zweifel, ob er nicht doch die erste SMS hätte abschicken sollen. Das wäre sicherer gewesen. Er fühlte sich plötzlich mies. »Was für ein Idiot du doch bist«, sagte er zu sich selbst und begann erneut zu tippen.
Hallo Anna. Es tut mir wirklich leid. Bitte ruf an. Kuss Andi.
Er wollte diese SMS der bereits versandten hinterherschicken, als er sich erneut anders besann. »Das ist ja noch kitschiger als in der ersten Mail«, staunte er über seine hilflosen Versuche, mit Anna zu kommunizieren. »Das geht nun gar nicht. Anna ist nicht dumm.«
So verbrachte Baumer den Rest des Abends. Er verfasste immer neue Texte, die ihm aber allesamt nicht gefielen. Entweder waren sie zu banal, oder zu unterwürfig, dann zu forsch, immer aber zu kitschig. Er war mit keiner zufrieden, sandte keine davon ab. Zwischendurch versuchte er immer wieder mal, Anna in Griechenland telefonisch zu erreichen, aber sie nahm nie ab. Schließlich gab er es auf, ging rasch zu Bett. Bis da war er überzeugt, dass er alles richtig gemacht hatte, und er wurde auf Anna richtiggehend wütend. Soll sie sich doch mit ihrem Yannis in der Open-Air-Disco am Strand vergnügen und sich die ganze Nacht um die Ohren schlagen. Er musste morgen ausgeruht sein.
Morgen, da gab es viel zu besprechen mit Danner, Regazzoni und Heinzmann. Sie mussten einen Mörder, vielleicht eine ganze Mörderbande fangen. Wie sie das tun würden, hatte sich Baumer im seinem Hirn bereits zurechtgelegt, überschlug es gleich nochmals. Damit brachte er sich aber um den Schlaf, denn prompt gingen ihm diese Ideen wieder und wieder durch den Kopf. War die Strategie nicht zu riskant? Bei Erfolg würden sie zwar einen Mörder fangen, bei Misserfolg aber alle ihren Job verlieren. Hatte er nicht doch etwas übersehen, einen entscheidenden Hinweis ignoriert, der ihn auf eine ganz andere Spur lenken würde?
Beunruhigt über diese Unsicherheit lag er lange grübelnd wach, bevor er endlich in einen zittrigen Schlaf fiel.
11
Neun Uhr morgens war Sitzung. Baumer, Heinzmann, Danner und Regazzoni trafen sich im Café Fortuna an der Güterstraße. Diese Kaffeebar hatte erst kürzlich eröffnet. Baumer hatte sie gleich am ersten Tag besucht, als Eröffnung gefeiert worden war. Er hatte sofort gesehen, dass ihm dieses schmucke Teil gefallen würde. Die Bar war eine umgebaute Parterrewohnung eines alten 40er-Jahre Hauses. Zwei Räume waren beim Umbau zusammengelegt und eine große Fensterfront zur Straße hin geschlagen worden. Dort konnte man ähnlich wie im ilcaffè an einer Balustrade stehen und die belebte Promenade vor dem Café beobachten, durch die ebenfalls eine Straßenbahn – die Nummer 16 – fuhr. Die Bar war mit kunterbuntem und glitzerndem Italokitsch eingerichtet. Licht kam von allerlei Kerzen und Lampen. In einem Glaskasten lagen gekühlt verschiedene Dolci, die süßen italienischen Dessertspeisen, und frischer Schweizer Apfel- und Rhabarberkuchen. Die Informationen auf einer Kreidetafel vor der Bar verhießen, dass im Fortuna auch Panini zubereitet wurden.
Wenn Baumer im Gundeldingerquartier Halt machte, ging er neuerdings öfter hierher. Im Gegensatz zum ilcaffè gab es im Fortuna ruhige Sitzecken, in die sich die vier Männer zurückziehen konnten.
Als die vier bestellt hatten, beugte sich Dr. Regazzoni im Vertrauen zu Baumer. »Ist das hier eine Schwulenbar?«, fragte er und blickte sich heimlich um.
Der Kommissar musste lachen. »Hier sind alle herzlich willkommen.«
Regazzoni wurde sofort rot. »Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich meine einfach. Stilvoll! Wirklich! Gefällt mir ausgezeichnet hier.«
»Ja. Schon klar, Regazzoni«, schmunzelte Baumer.
Der »Professor« mühte sich, zu erklären, dass er nichts gegen Homosexuelle habe, aber der Kommissar
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