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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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er keinen Vorwurf gehört. »Was machst du denn?«
    »Ich amüsiere mich.«
    Immerhin, dachte er. Immerhin hat sie Spaß und kann sich vergnügen. Dann beschlichen ihn doch leise Zweifel, ob sie das etwa nur gesagt hatte, um Distanz zu ihm zu schaffen und ihm gleichzeitig ein schlechtes Gewissen zu machen. Doch dann wertete Andi den schnippischen Unterton als positives Zeichen. Wenigstens sprach sie noch mit ihm. Und sie griff ihn sogar an. Das war gut, denn wenn man sich noch streitet, kann man sich auch wieder versöhnen. Lieber ein Knall als stilles Ignorieren. Lieber mit einem Tiger kämpfen als mit einem Stein. Noch ist nicht alles verloren. Sie soll sich ruhig abreagieren und mich herunterputzen, sagte Andi zu sich selbst. Dann geht es ihr besser und wir können uns wieder verstehen. Also sagte er zu ihr: »Anna, ich habe eine …« Weiter kam er nicht, denn urplötzlich war die Verbindung unterbrochen.
    »Mist Griechenland Scheiß Leitung«, fluchte Baumer und versuchte sofort, wieder einen neuen Kontakt zu bekommen. Aber das Display seines Nokia war überhaupt nicht hinterleuchtet. Eine schwarze Fläche schaute ihn an. »Was ist denn jetzt los?«, dachte er noch, nur um im nächsten Moment zu realisieren, dass er überhaupt keine Batterieleistung mehr hatte.

    Huere Mist!

    Verzweifelt versuchte er, das Ding wieder in Gang zu setzen, aber der Begrüßungsbildschirm wurde immer nur kurze Momente gestartet, dann soff das Handy wieder ab. »Nein, Nein!«, schrie Baumer. »Das glaubt sie mir nie. Nie!«
    Es half alles nichts. Baumers Handy – er hatte es erst kürzlich erworben – hatte keine Batterieleistung mehr. Das war ihm mit dem alten nie passiert! Das hatte ihn immer rechtzeitig mit Piepstönen gewarnt, dass bald Schluss sei, aber hier in diesem Ding hatte er selbst alle Warntöne ausgeschaltet. Sie hatten ihn genervt, weil er zu Beginn mit der Bedienung nicht zu Rande gekommen war und es jedes Mal mit Gepiepse reagierte, wenn er sich vertippte. Nun hatte er das Gerät im Griff, aber völlig vergessen, die Warnung für mangelnde Leistung wieder einzuschalten.
    Der Kommissar stresste sofort nach Hause, mutete seinem Bein sogar ein wenig zu viel zu. Als er in der Hochstraße in seiner Wohnung ankam, setzte er sich mit schmerzendem Oberschenkel sofort ans Telefon und rief nochmals an. Doch jetzt tönte die Leitung nach Griechenland anders. Das Signal klang irgendwie höher, aggressiv. Nach sechs schrägen Tönen knackte es prompt, und eine griechische Stimme sprach knatterhaft ab Band. Baumer verstand nicht, was die Roboterstimme zu ihm sagte. Aber er wusste wohl, was diese Ansage bedeutete: »Baumi, du Arschloch. Jetzt bist du einmal zu oft zu weit gegangen.«
    »Hueremist!«, fluchte Baumer. »Mist, Kacke«, knirschte er weiter, während er das Handy ans Akkuladegeräts hängte und an den Strom anschloss. Sodann konnte er das Gerät wieder einschalten und er begann sofort, eine SMS zu schreiben. Er war sich bewusst, dass jetzt jedes Wort von übergroßer Bedeutung sein würde. Also gab er sich die allergrößte Mühe, Anna zu erklären, was vorgefallen war. Auch müsste er ihr hoch und heilig versichern, dass es ihm leid tue. Nach einer langen Viertelstunde war die Nachricht endlich fertig.

    Hallo, Anna. Es tut mir wirklich schrecklich leid. Entschuldigung. Mein Akku war gerade fertig. Ich habe es vorher leider nicht gemerkt. Habe dich noch einmal vom Festnetz angerufen. Wo bist du? Bin zu Hause. Ruf doch bitte an. Hoffe, es geht dir gut? Gruß A.

    Baumer las den Text nochmals durch. Er fand, dass die Botschaft ganz okay sei. Seinen eigenen Namen konnte er nicht mehr ausschreiben, denn eine SMS fasst nur 259 Zeichen. Aber die Abkürzung würde genügen. Anna würde wissen, wer sich hier entschuldigte.

    Entschuldigen?

    Baumer las den Text noch einmal. Nun fand er, dass das Wort Entschuldigung zu viel des Guten war. Entschuldigen wollte er sich nicht wirklich. Die Batterie war schuld, nicht er. Auch fand er, dass ein bisschen viele Leids drin standen. Musste es ihm leid tun? Sollte er sich entschuldigen dafür, dass er war, was er war? Einer von der »Schmier«. Ein »Schugger« eben, der sich einsetzt für die, die sich nicht wehren können, und das den ganzen Tag und die ganze Nacht und sieben Tag in der Woche, ja alle Tage im ganzen Jahr.
    Baumer machte sich nochmals an die Nachricht. Er löschte die Entschuldigung. Auch ein Leid und ein Schrecklich fielen seinem Daumen zu Opfer. Dafür konnte er nun

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