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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Leitung hindurch noch als kurzes gepresstes Schnauben bemerkte. Aber der Mediziner ließ sich nichts anmerken. Er wartete offenbar auf die Erklärung des Kommissars. Baumer schien es, als könne er den Gerichtsmediziner aufrecht am Telefon stehen sehen. Wahrscheinlich hatte der »Professor« immer noch Hemd und Krawatte an. Die Füße, vom vielen Stehen am Untersuchungstisch schmerzend, in edlen Bally-Schuhen.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte Baumer.
    »Kann das nicht bis morgen warten.«
    »Ja, schon, aber … ich brauche wirklich Ihre Unterstützung.«
    Es dauerte einen Moment, dann fiel bei Regazzoni der Groschen. Der Kommissar hatte wieder einmal irgend so ein krummes Ding vor, und er sollte mitmachen. Dafür war Andreas Baumer bekannt. Er war keiner dieser superschlauen Detektive. Doch getraute er sich, Aktionen durchzuziehen, bei denen anderen die Hosenbeine flatterten. Regazzoni wusste, dass sich Andi Baumer ebenso gnadenlos in die Gefahr warf, wie Ernst Jünger sich und seine Leute in die Schlacht in Cambrai. Keine Rücksicht auf Verluste. Regazzoni selbst hatte schon an ein paar dieser Stoßtruppaktionen teilgenommen. Und jedes Mal waren die Fetzen geflogen.
    »Sie brauchen wieder meine Hilfe?«
    »Ja.«
    »So mit allem drum und dran.«
    »Ja.«
    Regazzoni machte einen gewaltigen Atemzug. Es war so etwas wie ein Anti-Exitus. Er blähte die Lungen auf und sog und sog und sog. Er hielt die eingeatmete Luft fest, bis er nicht mehr konnte, presste sie dann unter Schmerzen wieder aus. Der Mediziner wusste, wenn Baumer um seine Hilfe bat, musste die Kacke am Dampfen sein. Kommissar Baumer würde ihn nicht wegen irgendwelchem Krimskrams fragen. Der Mann mit den kurzen braunen Haaren und den übergroßen Füßen brauchte ihn nur, wenn er einen schweren Verdacht hatte, vielleicht einen Mörder schon an der Angel, er aber mit normalen Mitteln nicht mehr weiterkam. Sicherlich würde dieser Kommissar ihn in immense Schwierigkeiten bringen.
    »Sie brauchen wirklich meine Hilfe? Geht es wirklich nicht ohne mich?«
    »Nein.«
    Baumer hörte einen zweiten tief bekümmerten Seufzer. Dann hörte er, wie der Tessiner gedrückt sagte, als wäre er in sich zusammengesunken: »Ja, gut, also. Wenn es sein muss.«

    *
    Bis Baumer zu Hause ankam, machte er nochmals zwei Halte.
    Während des ersten informierte er Wachtmeister Heinzmann, dass er alles organisiert habe. Danner und Regazzoni seien mit an Bord. Heinzmann hatte vergnügt geantwortet: »Super, Andi. Endlich geht’s los.«
    Nach ein paar weiteren Hundert Metern stoppte Baumer erneut. Er setzte sich auf eine Parkbank beim Bahnhofplatz und rief Anna an. Es war bereits dunkel, und die Luft hatte sich sehr abgekühlt. Aber er wollte – musste! – endlich mit ihr reden und fragen, wie es ihr gehe. Er würde sogar antönen können, dass er eine Spur habe, vielleicht hätte er den Fall rasch gelöst. Dann würde er es wiedergutmachen können, mit neuer Zeit für sie.
    Andi Baumer stellte sich auf ein langes Gespräch ein. Dass er zu Hause an der Hochstraße mit der Festnetzleitung viel weniger bezahlt hätte, war ihm jetzt egal. Er hatte bereits viel zu lange gewartet, um Anna anzurufen. Die Zeit drängte. Also wählte er ihre Nummer. Ein ungewohnter Piepston ertönte, wahrscheinlich weil es eine internationale Leitung war. Der Ton erklang in gleichen Abständen. Offenbar wurde tatsächlich eine Verbindung aufgebaut. Dann knackte es.
    »Hallo«, hörte Baumer Anna sprechen.
    »Hallo, Anna. Hier ist Andi.«
    »Andreas«, sagte Anna.

    Andreas?

    »Hallo, Schatz.«
    »Schatz?«, fragte Anna unterkühlt.
    Sogleich war die Märzenluft in Basel für Baumer nicht nur frisch, sondern richtig kalt. Er zog beide Beine zusammen, knickte in sich zusammen und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Andi fragte vorsichtig, wie es ihr ginge.
    »Wie es mir geht?«, fragte sie zurück.
    Es schien ihm, als hätte Anna eine Handvoll Eiswürfel in die ihr offerierte, heiße Schokoladenmilch geworfen. Er wartete weiter auf ihre Antwort.
    »Interessiert dich das wirklich?«, zweifelte Anna an seinem Interesse.
    Weil Baumer sein Gegenüber nicht sah, konnte er nicht deuten, ob die Frage ironisch gemeint war. »Ja, es interessiert mich wirklich«, bestätigte er und wusste in dem Moment selbst nicht, ob er log oder die Wahrheit sagte.
    »Mir geht es gut«, meinte Anna kurz angebunden.
    Es fiel Baumer schwer, den schnippischen Unterton in ihrer Antwort zu ignorieren. Trotzdem fuhr er fort, als hätte

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