Schweizer Ware
«Ich gehe ja mehr in die Oper.«
»Oper?« Heinzmann zog das Gesicht zusammen, als hätte er eine bittere Medizin geschluckt.
Rolf Danner warf beiden einen stechenden Blick zu. Solche Unterbrechungen nervten. »Was konkret soll ich tun?«, wandte er sich schließlich wieder an Baumer.
»Ich will, dass du herausfindest, woher der Schiwago kommt. Wer sind seine Kumpels? Was ist sein Netzwerk?«
Danner war ein wenig enttäuscht. »Ist das alles? Das könnt ihr doch genauso gut …«
Der Kommissar erklärte es ihm. »Schau, Danner. Wenn es nur um Firsovs Aktivitäten in der Schweiz geht, dann können wir das selbst machen. Aber ich will, dass du herausfindest, woher er kommt, wie seine internationalen Connections sind. Das sollst du unter die Lupe nehmen. Das können wir nicht. Dazu bräuchten wir Kollegen aus Russland, oder woher der Firsov eben kommt.«
»Ja, ich verstehe«, nickte der Reporter.
»Eben«, bestätigte Baumer. »Eine einzige Anfrage von uns an unsere geschmierten Kollegen aus dem Ostblock und Firsov weiß es als Erster, dass wir ihm auf die Finger schauen.«
»Gut kombiniert«, verteilte Regazzoni Noten. »Wenn der Assistenzarzt in krumme Dinger verwickelt ist, dann hat er sicher auch ein Vorwarnsystem.«
»Richtig«, meinte Heinzmann und schlürfte erneut.
»Warum willst du, äh wollen Sie über Firsovs internationale Aktivitäten Bescheid wissen?«, fragte Danner, der Andreas Baumer nur unter vier Augen duzte.
»Ja, genau. Warum ist das wichtig? Welche Vermutung hegen Sie eigentlich, Herr Kommissar?«, schob auch der Gerichtsmediziner rasch diese Fragen nach, und es war offensichtlich, dass es ihm ein wenig peinlich war, sie nicht vor Danner gestellt zu haben.
Baumer wand sich. »Ich weiß es selbst nicht. Ich habe nur eine vage Vermutung.«
»Eine vage Vermutung nur?«, sagte Danner leise und zog sein Brillengestell auf die Nasenspitze hinunter. Er schaute Baumer über den Rand der Brille eindringlich an. Weil seine Brillengläser so riesig waren, musste er den Kopf dazu ganz tief halten, sein Kinn berührte fast seinen Kehlkopf.
Baumer ließ sich vom fragenden Blick Danners aber nicht drängeln. Er führte die Kaffeetasse an seinen Mund und nahm einen Schluck. Arabia Caffé. Genüsslich schluckte er das köstliche Getränk hinunter.
Danner begannen die durchgestreckten Nackenmuskeln zu schmerzen. Regazzoni beugte sich doch tatsächlich einen halben Zentimeter vorwärts. Beide dachten: »Spuck es endlich aus, Baumi. Wer steckt hinter dem Mord? Warum all diese toten Frauen?«
Der Kommissar setzte seine Tasse ab. Er sagte nichts.
Danner begann, nervös auf dem Tisch zu trommeln.
Regazzoni verdrehte die Augen.
Der Kaffeeliebhaber blickte ein wenig missmutig in seine leere Espressotasse. Endlich sprach er seinen Verdacht aus. »Ich könnte mir vorstellen, dass Firsov mit starken Schmerzmitteln macht.«
Danner und Regazzoni pfiffen gleichzeitig. Rolf Danner konnte endlich die Halsmuskeln entspannen, er schob seine Brille wieder richtig auf die Nase zurück. Er strahlte über das ganze Gesicht, sagte aber nichts. Regazzoni hingegen meinte nur: »Interessant.«
Heinzmann hatte nicht mitgepfiffen. Diesen Verdacht hatte ihm Baumer schon am Vorabend mitgeteilt.
»Es sind simple Drogen, denke ich«, erklärte Baumer seinen Verdacht. »Die Klinik hat viele alte Patienten. Viele sicherlich mit starken chronischen Schmerzen. Vielleicht führt der Russki illegal Schmerzmittel ein. An denen hat die Alpensonne ohne Zweifel einen Riesenbedarf. Vielleicht verschreiben sie den Alten die überteuerten Schweizer Medis und rechnen die bei der Krankenkasse ab. Behandeln die Leute aber mit billigen Nachahmermitteln. Die Differenz streichen sie als fetten Gewinn ein.«
Die nächste Schlussfolgerung überließ Baumer dem logisch-analytischen Dr. Regazzoni. »Und Sie vermuten also weiter«, dachte Regazzoni laut, »dass die Generika, also diese Nachahmer, verunreinigt waren oder falsch dosiert und so zum Tod der alten Leute geführt haben.«
»Ja«, sagte Baumer. »Irgend so etwas.«
»Miese Russenware«, dröhnte Heinzmann, und es war allen klar, dass dieser Verdacht durchaus ins Schwarze treffen könnte.
»Geil«, freute sich Danner, der sich schon die Story ausmalte. Schnappschüsse von illegalen Pharmaproduktionsstätten, irgendwo auf einem heruntergekommenen Bauernhof in der russischen Steppe. Bilder von alten Schweizerinnen, die ihre unsäglichen Schmerzen lindern wollen, aber wegen
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