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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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verunreinigter Russenware von Todeskrämpfen gepeinigt elend zugrunde gehen. Und vor allem: Bilder von einem gierigen Russen und dem Klinikdirektor. Ein Halbgott in Weiß, schändlich hintergangen von seinem Assistenten oder sogar der Totmacher selbst. »Wow, Baumi. Das ist ja eine geile Sache.«
    Regazzoni zuckte bei diesen Worten zusammen. Es war Zeit, wieder ein wenig Struktur in diese Diskussion zu bringen. »Was erwarten Sie von mir, Herr Kommissar?«, bemerkte er wie ein Professor, der er gerne wäre, aber nie werden würde. Zu wenig Sozialkompetenz hatte man ihm attestiert, wie manch ein inkompetenter Beobachter einem Hund Tollwut unterstellt, der sich wild dreht und ins eigene Fell schnappt und doch nur versucht, einen Floh zu erwischen, der ihn zum Wahnsinn treibt. Fehlende Sozialkompetenz, das war der Dolch, mit dem die Professoren Regazzoni in seiner Berufungskommission niedergestochen hatten. So was geht sauber, macht wenig Blut. Sie lächeln ihr Opfer an und stechen es in den Rücken. Lassen den Dolch nicht fallen, sondern verstecken ihn sofort wieder unter dem weiten Talar. Danach gehen sie an weiß gedeckten Tischen essen.
    »Regazzoni!«, sprach Baumer den Gerichtsmediziner an. »Sie haben eine wichtige Stärke, die wir dringend brauchen.«
    Wenigstens eine, dachte Regazzoni, aber sprach es nicht aus. Er tat betont lässig, denn er ahnte, was Baumer wohl sagen würde. Er sei Mediziner, daher brauche man ihn. Dass er ein Experte in seinem Metier war, wusste er aber schon. Also wandte er sich schnell zu Danner um und bat ihn um eine Zigarette.
    Während Danner die Schachtel hervorkramte, erklärte Baumer: »Als Gerichtsmediziner können Sie Rückstände von Medis nachweisen.«
    »Ja, ja. Das dachte ich mir, dass Sie mich für die chemischen Analysen heranziehen wollen. Aber ich kann nicht nur Inhaltsstoffe von Medikamenten bestimmen«, ergänzte Regazzoni.
    »Gifte natürlich auch«, lobte Baumer. »Sie weisen alles nach, was in den Körper hineingehört und was nicht.«
    »So ist es«, antwortete Regazzoni, aber er schaute Baumer nicht an dabei. Er griff die Zigarette, die Rolf Danner aus der Packung geschüttelt hatte und dem Gerichtsmediziner hinhielt. »Danke, Herr … äh … Danner.«
    »Avec plaisir«, lächelte der Journalist und nahm sich selbst eine. Rauchen im Duett macht doch mehr Spaß, als allein zu qualmen. Er zog ein Feuerzeug aus der Tasche, ratschte die Flamme an und hielt sie dem Tessiner hin. Der beugte sich zu der blauen Flamme mit dem gelben Kern hin und hielt Danners Handgelenk zart mit der rechten Hand fest. Er zog leicht an der Zigarette bis die Spitze aufglühte und nahm die Zigarette dann sogleich von der Flamme weg, gab sich selbst Feuer.
    Baumer und auch Heinzmann beobachteten dieses Schauspiel interessiert. Regazzoni war ganz der Genießer. Er tat konzentriert einen langen Zug und blies den Rauch dann umsichtig und ruhig und in feinem Faden aus. Noch bevor er den letzten Qualm in die Freiheit entlassen hatte, hatte Rolf Danner seinen ersten Zug, den er aufgeregt mit einem kurzen, äußerst heftigen Einschnappen getan hatte, bereits wieder in einer großen wirbelnden Wolke ausgestoßen. Sogleich hielt er sie über den Aschenbecher und schnippte die wenige Asche hinein.
    Nachdem die beiden Hilfssheriffs sich also verbrüdert hatten, erklärte Baumer dem Doktor endlich seine Aufgabe. Baumer wollte, dass Regazzoni die Körper von den Frauen untersuchte, die kürzlich in der Alpensonne gestorben waren.
    »Wo sind die Leichen?«
    »Hhm … Ja, das ist so eine Sache.«
    Regazzoni suchte verwundert den Blick des Kommissars. Er hob seine linke Augenbraue und streckte den Kopf.
    Baumer sah ihn nicht an. Er versuchte es zu erklären. »Also. Tja.«
    »Wo sind sie?«, fragte Regazzoni, während er seine Zigarette hochhielt wie einen Kreidestummel.
    »Die meisten sind auf dem Friedhof.«
    »Haben Sie eine Exhumierung beantragt?«
    Baumer schwieg.
    Nun drehten auch Heinzmann und Danner ihre Köpfe langsam in seine Richtung und schauten ihn eindringlich an.
    Der hielt ihre Blicke einigermaßen aus. Dann schüttelte er den Kopf. »Keine Exhumierung veranlasst.«
    Regazzoni nahm einen schnappenden Zug an seiner Camel, legte diese dann behutsam in einen Aschenbecher ab. Er blies den eingeatmeten Rauch als feines Rinnsal aus. »Warum nicht?«, fragte er dann den Kommissar, so beiläufig, wie er einen Studenten im Seminar fragen würde, warum dieser einen entscheidenden Test bei der

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