Schwelbrand
worden.
Lüder war nicht erstaunt. Die Mails waren in Englisch abgefasst. Knapp und präzise. Sie waren an zahlreiche Banken an den verschiedensten Plätzen der Welt gerichtet, Kauforder, Vorgaben für gesetzte Limits, Verhandlungen und mehrere Bestätigungen, dass Kleeberg die Banken zu persönlichen Gesprächen aufsuchen wollte. Dazwischen Hotelbestätigungen in den großen Finanzzentren dieser Welt. In einer Excel-Datei hatte Kleeberg säuberlich alle Flüge und Hotelaufenthalte einschließlich der entstandenen Kosten zusammengestellt.
»Bist du fündig geworden?«, fragte Plagge interessiert.
»Kaum«, antwortete Lüder und bat um einen Drucker.
»Nimm den hier«, sagte der Anwalt. »Das geht auf unseren großen Kanzleidrucker. Der steht nebenan.«
Lüder schüttelte den Kopf. Er kannte die Technik des Büros nicht und wollte vermeiden, dass womöglich irgendetwas auf einem Druckserver gespeichert wurde. Es dauerte eine Weile, bis er einen Drucker, den Plagge sich aus einem anderen Büro besorgt hatte, am Notebook installiert hatte. Dann druckte er sich eine Reihe der Mails aus. Auf Dubletten verzichtete er aus Zeitgründen.
»Hast du Handschuhe?«, fragte Lüder.
»Wofür?«
»Bring sie einfach.«
Plagge kam mit groben Gummihandschuhen wieder. »Von der Putzfrau«, erklärte er.
Es dauerte über vier Stunden, bis Lüder zufrieden nickte. Er fuhr das System auf dem Notebook wieder herunter, damit Plagge sich nicht einloggen konnte, nahm den Papierstapel und stand auf. Es war erstaunlich, als wie dumm und naiv sich selbst die Leute erwiesen, die glaubten, das ganz große Rad drehen zu können. Wie war das mit der aufsehenerregenden Flick-Affäre gewesen? Die Parteispenden, mit denen Einfluss auf die Entscheidungen der Politik genommen worden waren, hatte ein kleiner Buchhalter fein säuberlich und handschriftlich in einer Kladde festgehalten, die den Behörden in die Hände gefallen war. Friedrich Karl Flick, der dieser Affäre seinen Namen gab, war einer der reichsten und einflussreichsten Männer Deutschlands. Und in dem kleinen Notizbuch tauchten große Namen auf: Helmut Kohl, Otto Graf Lambsdorff, Walter Scheel, Franz Josef Strauß und viele andere Größen ihrer Zeit.
»Jetzt benötige ich noch einen Briefumschlag DIN A4.«
Auch den besorgte Plagge. »Dominik Plagge – Rechtsanwalt«, las Lüder auf dem schweren Umschlag aus edlem handgeschöpftem Papier. Dann folgte die Anschrift der Kanzlei Ströh Plagge Kleeberg. »Hast du auch einen mit der Aufschrift ›Paul Kleeberg‹? Und wenn du den besorgst, berühre ihn möglichst nicht. Wegen der Fingerabdrücke.«
Der Anwalt zuckte mit den Schultern und kehrte kurz darauf mit einem Umschlag mit den Absenderangaben Paul Kleebergs zurück. Zufrieden steckte Lüder die Ausdrucke in das Kuvert, immer darauf achtend, dass er weder die Ausdrucke noch den Umschlag berührte.
Lüder schüttelte sich innerlich, als ihm Plagge beim Abschied vertraulich auf die Schulter klopfte und sagte: »Auf die Freundschaft, nicht wahr?«
Im Büro ordnete Lüder die Daten und erstellte eine Übersicht in Tabellenform. Tatsächlich. Kleeberg war rund um die Welt gereist. Lüder hatte den Mann, der die Finanztransaktionen eingefädelt hatte. Das half ihm aber nicht weiter. Das war nicht strafbar. Nirgendwo stand geschrieben, dass man nicht auf dem globalen Finanzmarkt spekulieren durfte. Außerdem hätte Lüder nicht erklären können, wie er an die Informationen gekommen war. Man musste hoffen, dass es gelang, eine Verbindung zwischen Frosinn, Raabe und Türkmen einerseits und Paul Kleeberg andererseits herzustellen, um Kleeberg zu überführen, dass er die Aufträge für die Morde erteilt hatte. Das dürfte schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden, dessen war Lüder sich bewusst.
Er rief zu Hause an. Margit war am Apparat.
»Wieso du?«, fragte Lüder erstaunt. »Sonst ist Jonas immer zuerst am Telefon.«
»Der ist auf Tour«, erklärte Margit. »Und du willst mir jetzt erklären, dass du heute wieder später kommst.«
»Nein«, sagte Lüder lachend. »Ich wollte dir sagen, dass ich heute pünktlich heimkommen werde.«
Dann fuhr er in die Wik, den Stadtteil am Nord-Ostsee-Kanal und an der Förde. Dort unterhielt sein Freund Horst Schönberg eine Werbeagentur.
»Ich helfe dir nicht«, begrüßte ihn Horst. »Außerdem habe ich eine Verabredung.«
»Heißt es nicht ›Guten Tag‹?«, fragte Lüder.
»Bei dir nicht. Ich kenne dich. Wenn du so guckst … Dann
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