Schwelbrand
Ärmel mitziehen. Das Büro des Anwalts war eine Fortsetzung des Empfangsbereichs. Ein gläserner Schreibtisch und eine Hightech-Ausstattung spiegelten eine moderne Kanzlei vor. Durch die Tischplatte sah Lüder auf die handgenähten Schuhe des ehemaligen Kommilitonen und auf die sicher maßgeschneiderte Hose. Das Hemd kam von einem Edel-Schneider. Dazu passte auch die protzige goldene Uhr am Handgelenk.
»Du bist also in einer Sozietät untergekommen«, stellte Lüder fest.
Plagge breitete die Arme aus. »Wie du siehst, muss man den Erfolg suchen.«
»Ist Rechtsanwalt Ströh noch dabei?«
»Der ist letztes Jahr in den Ruhestand gegangen. Danach konnten wir hier renovieren. Ströh hatte zu viele konservative Ansichten. Und? Gefällt es dir?«
»Jedem das Seine«, wich Lüder aus.
»Ich habe gehört, du bist Beamter geworden?«, fragte Plagge mit einem ironischen Unterton in der Stimme.
»Polizei«, sagte Lüder knapp.
»Ich habe dich noch auf keiner Kreuzung stehen sehen.«
»Ich kümmere mich um die Schwergewichte.«
»Hast du eigentlich dein Studium abgeschlossen?«, fragte Plagge scheinheilig. Natürlich wusste er es. »Dann wärst du jetzt«, er spielte kurz mit seinen Fingern, als würde er etwas nachrechnen, »richtig. Polizeidirektor. Gratuliere.«
Lüder ging nicht darauf ein. Warum sollte er dem Widerling, für den er Plagge stets gehalten hatte, erzählen, dass er immer noch Kriminalrat war.
»Ich habe neulich gehört, als ich mit ein paar Kollegen um Mallorca gesegelt bin, dass du sogar promoviert hast. Glückwunsch. Nun, als Beamter hat man so seine Beziehungen.«
Lüder betrachtete den Anwalt, der mit seinen langen Haaren, in die er sich dezente blonde Strähnen hatte färben lassen, wie ein Späthippie aussah.
»Du hast nur Jura studiert, weil du dir damit den Anwalt bei deinen drei Scheidungen gespart hast«, sagte Lüder.
»Ist doch besser, als daheim von Mutti und zwei Kindern empfangen zu werden.« Plagge grinste ihn an.
»Vier«, sagte Lüder, und als sein Gegenüber ihn erstaunt ansah, fügte er an: »Vier Kinder.«
Plagge spitzte die Lippen. »Jeder Mann leistet etwas im Leben. Ich habe diese Kanzlei – du vier Kinder. Aber du bist nicht hergekommen, um mit mir darüber zu streiten, wer von uns erfolgreicher ist.«
Lüder ließ demonstrativ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Weißt du, was mir am besten an eurer Kanzlei gefällt?«
»Na?« In Plagges Frage lag etwas Lauerndes.
»Euer Internetauftritt.«
Der Anwalt lehnte sich entspannt zurück. »Der war nicht ganz billig. Ein Juwel unter den Webdesignern hat den gemacht.«
»Und er war gründlich«, sagte Lüder. »Das Genie hat an alles gedacht.«
»Was meinst du damit?«
»Der Name Ströh erscheint immer noch.«
»Ach, das tut uns nicht weh. Der Senior war noch einer von der alten Sorte. Hat querbeet alles gemacht. Auch Strafrecht.«
»Da sind aber noch mehr«, sagte Lüder.
Plagge strahlte. »Wir haben noch drei Anwälte. Die sind aber keine Partner, sondern nur angestellt.«
»Mich interessiert dein Partner.«
Jetzt tauchte der Anwalt aus den Tiefen seines Ledersessels auf. »Und?«, fragte er.
»Ströh Plagge Kleeberg.«
»Was ist mit Paul Kleeberg?«
»Der hat einen großen Fisch an der Angel. Ich habe ihn neulich in Glücksburg auf einer Party kennengelernt.«
»Beim alten Søndervig? Da warst du eingeladen?« Plagge machte sich nicht die Mühe, sein Erstaunen zu verbergen.
Lüder unterließ es, ihn über den tatsächlichen Verlauf der Begegnung zu informieren. Stattdessen sagte er beiläufig: »Hat dich der Minister nicht in Kenntnis gesetzt? Der war auch anwesend.«
Für einen Moment sah Plagge ratlos aus. Lüder nutzte die kurzfristige Verwirrung seines Gegenübers.
»Ihr scheint nicht oft miteinander zu sprechen. So wirst du auch keine Ahnung haben, was dein Sozius so treibt.«
»Was soll das heißen? Wir gehen offen miteinander um und haben keine Geheimnisse«, protestierte Plagge.
Lüder zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Anwalt.
»Das ist dumm für dich, Plagge. Dann ist die ganze Herrlichkeit hier vorbei. Steckst du mit drin in diesem Sumpf?«
»Jetzt reicht es aber. Was willst du eigentlich?«
»Hast du von den Morden und Straftaten gehört, die derzeit das Land überziehen?«
»Klar. Wer nicht.«
»Nun rate einmal, weshalb ich hier bin.«
Auf Plagges Gesicht zeigte sich ein nahezu dümmlicher Ausdruck. Er schien wirklich unwissend zu sein.
»Weiß nicht.«
»Ich
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