Schwelbrand
bin beim Landeskriminalamt«, erklärte Lüder.
»Oh Gott, also Kriminaldirektor.« Es klang nicht mehr so abfällig wie zu Beginn des Gesprächs. Lüder ließ die unzutreffende Dienstbezeichnung unkorrigiert.
»Welche Beziehungen unterhaltet ihr zu Søndervig?«
Plagge holte tief Luft. »Mensch, Lüders. Du weißt doch, dass ich dir das nicht erzählen darf.«
»Sicher«, antwortete Lüder. »Das wirst du dann vor dem Landgericht in Kiel berichten. Ich sehe dich schon in der Zeitung: ›Der Exanwalt sagt aus. Er wurde durch seinen Kompagnon mit hineingezogene Oder«, dabei verschärfte Lüder seinen Ton, »steckst du mit im Geschäft?«
Der Anwalt seufzte. »Hör mal«, begann er, »ich weiß nicht, wie Kleeberg diesen Mandanten aufgetan hat. Was ich dir jetzt sage, habe ich nie erzählt. Ist das klar?« Er beugte sich über die gläserne Tischplatte, als fürchtete er, dass ein Unbefugter mithören würde.
»Ich habe schon eine Weile den Eindruck, dass Kleeberg manches an unserer Kanzlei vorbeilaufen lässt. Er nimmt nur noch wenige Termine wahr. Dafür dreht er anscheinend das große Rad. Ich befürchte, dass er dabei ist, abzuspringen.« Plagge wischte sich mit der Hand über die Augen. »Das wäre ein harter Schlag. Neben den monatlichen Zahlungen an den alten Ströh auch noch eine Abfindung für Kleeberg, ich meine seinen Anteil, und das alles hier, das ist auch noch lange nicht bezahlt.«
»Plagge, Plagge. Das ist unschön. Du bekommst kein Bein mehr an Land, wenn sich das herumspricht. Mit Verlierern spielt diese Gesellschaft nicht mehr. Ich weiß nicht. An deiner Stelle würde ich versuchen, das Rettungsboot klarzumachen.«
Der Anwalt massierte sich die Schläfen. »Was soll ich nur machen?«, fragte er.
»Suchst du anwaltlichen Rat?«, fragte Lüder.
Sein Gegenüber vernahm schon gar nicht mehr den spöttischen Unterton.
»Eher freundschaftlichen Rat.«
Lüder bemühte sich, nicht laut zu lachen. Plagge war niemals jemand gewesen, der etwas von Freundschaften hielt. Schon während des Studiums hatte er rücksichtslos versucht, seine Interessen durchzusetzen, auch auf Kosten anderer. Darum hatte Lüder keine Skrupel, die Notlage des anderen für sich auszunutzen.
»Einer von euch beiden säuft ab, vorausgesetzt du hast das Schiff nicht mit angebohrt.« Lüder wollte erst sagen, dass der Kahn mit Gold überladen war. Doch er nahm davon Abstand, weil er Plagge nichts von seinem Verdacht erzählen wollte.
»Ich kann doch nicht …«, sagte der Anwalt und stützte seinen Kopf in beide Hände, nachdem er die Ellenbogen auf die Tischplatte gestellt hatte.
»Das musst du wissen«, bohrte Lüder weiter. »Entweder jetzt oder irgendwann später, wenn jemand das Geld für die Brötchen verlangt und du diesen Satz auch sagen musst.«
»Es gibt nicht nur eine Schweigepflicht, sondern auch ein Berufsethos, ganz abgesehen davon, dass Kleeberg mein Partner ist.«
»Der dich eiskalt ins Messer laufen lässt. Außerdem«, Lüder senkte die Stimme, damit es verschwörerisch klang, »wer sollte etwas erfahren? Du weißt, dass ich das, was wir hier besprechen, nicht gegen Kleeberg verwenden kann. Das ist illegal. Bei dir und bei mir.«
Plagge nagte an der Unterlippe.
»Warte mal«, sagte er, stand auf und kehrte kurz darauf mit einem Notebook wieder. »Das ist Kleebergs«, erklärte er. »Aber! Zu niemandem ein Wort. Verstehst du? Zu niemandem!«
Lüder schaltete das Gerät ein und war nicht erstaunt, als ein Passwort verlangt wurde.
Er fragte Plagge danach.
»Versuch’s mal mit ›Echnaton‹«, schlug der Anwalt vor.
»Der ägyptische Pharao?«
»Kennst du einen anderen?«
»Der hat doch den Gott der Sonnenscheibe zum Oberhaupt über alle anderen Götter erhoben«, sagte Lüder mehr zu sich selbst. Er glaubte zu wissen, wer Kleebergs »Sonnenscheibe« war.
Das System wies »Echnaton« als Falscheingabe zurück.
»Hat Kleeberg einen Hund? Ein Segelboot?«
»Nein.« Plagge schüttelte den Kopf.
»Eine Freundin?«
Jetzt grinste der Anwalt. »Mehrere. Probier einmal ›Claudia‹.«
Nichts.
»Sorry, aber alle Namen kenne ich nicht.«
Lüder gab »Sandra« ein. Tatsächlich. Er war eingeloggt.
»Was hast du eingegeben?«, fragte Plagge neugierig.
»Ich hatte eine Inspiration«, erwiderte Lüder ausweichend und bedeutete dem Anwalt, ihm nicht über die Schulter zu sehen.
Kleeberg nutzte Outlook als Mailsystem. Aus Gründen der Bequemlichkeit war kein weiterer Passwortschutz generiert
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