Schwemmholz
Pressekonferenzen, als ob sie nicht selbst ihre Finger ganz tief drin gehabt hätten. Wieso passiert so etwas? Ich will es Ihnen sagen. Weil Sie es so gedreht haben. Es ist Ihre Masche.«
»Sie überschätzen meine Möglichkeiten.«
»Reden Sie nicht so gespreizt«, fuhr ihn Rentz an. »Sagen Sie mir lieber, was Sie positiv, vorzeigbar, konkret erreicht haben.«
»Wir werden einen Haftbefehl gegen einen anderen Ulmer Unternehmer beantragen«, sagte Berndorf. »Welf heißt der Mann, Jörg Welf. Wir sind überzeugt, dass er einen Brandanschlag auf eine italienische Baustelle in Auftrag gegeben hat, und zwar mit der Absicht, Gföllner als den Drahtzieher erscheinen zu lassen und so aus dem Geschäft zu drängen. Wir gehen davon aus, dass mit dem Verbrechen mindestens zwei Morde in Verbindung stehen.«
Rentz schwieg. Berndorf wartete.
»Sie sind sicher, dass Sie das auch beweisen können? So, dass es ein Urteil trägt?«
»Ach Gott«, antwortete Berndorf. »Mit Urteilen hab ich so meine Erfahrungen.«
»Vermurksen Sie es nicht«, sagte Rentz und legte auf.
Berndorf betrachtete noch einen Augenblick den Hörer, so, als ob er sich vergewissern müsse, dass sich keine ekelhaften Rückstände daran gebildet hatten. Dann wandte er sich wieder dem »Tagblatt« zu. Auf der Aufschlagseite des Lokalteils reckten Ulmer Kommunalpolitiker ihre Köpfe dem Betrachter
entgegen, beschwörend die einen, besorgt die anderen, einer mit erhobenem Zeigefinger, einem hing die Fliege gesträubt und schief am Kinn. In der sechsten Spalte unterbrach ein Fahndungsaufruf der Polizei das kommunalpolitische Breitwand-Aufgebot, ein scharf geschnittenes Gesicht drängte sich in den Blick, das Gesicht eines Mannes, der nicht dazugehört und den niemand gerufen haben will, wenn er denn plötzlich doch auftauchen sollte in der Runde derer, die dazugehören.
Wieder summte das Telefon. Diesmal war es Kuttler. Er hatte Vera Vochezer gefunden. Leider lege sie durchaus keinen Wert mehr auf Polizeischutz, von wem auch immer. »Irgendwie muss da was mit der Biberacher Kollegin schief gelaufen sein.« Berndorf ging nicht darauf ein. Es sei gut, sagte er, Kuttler solle dann eben versuchen, aus der Ferne ein Auge auf Vera zu halten. »Ich glaube zwar nicht, dass noch eine Gefahr besteht. Welf ist bei uns, und Rodek wird sich nach der Veröffentlichung des Fahndungsfotos kaum in der Stadt sehen lassen. Trotzdem müssen wir wissen, ob jemand mit ihr Kontakt aufzunehmen versucht.«
Es sei recht, meinte Kuttler. »Der Teufel ist ein Eichhörnchen.« Berndorf legte auf. Er überlegte, ob er sich einen Kaffee holen solle. Die Nacht war kurz gewesen, auch wenn das Verhör Welfs nicht viel gebracht hatte und bald abgebrochen worden war. Sein Bein schmerzte, und mit Missvergnügen dachte er an die Berichte, die er noch zu schreiben hatte. Außerdem hatte sich Tamar noch nicht gemeldet. Wenn er ehrlich war, glaubte er nicht daran, dass sie Sanders Leiche in dem Neubau finden würde. Es wäre — zu glatt, dachte er plötzlich.
Das Telefon klingelte. »Könnten Sie wohl zu mir herüberkommen?« , fragte Desarts. »Am besten jetzt gleich. Ich habe hier Rechtsanwalt Eisholm, der den Herrn Welf vertritt. Er hätte gerne unter sechs Augen mit uns gesprochen.«
»In einer Viertelstunde?«, fragte Berndorf. Wenn Eisholm pfiff, musste er nicht das Hundchen sein.
Berndorf ging über den Münsterplatz und durch die Platzgasse zum Hochhaus, in dem die Staatsanwaltschaft untergebracht war. Vor dem kleinen Café am Ende der Platzgasse entschied er, dass Staranwalt Eisholm Zeit genug habe, um für die Dauer eines Espresso auf ihn zu warten. Am Tresen saß der Gerichtsreporter Frentzel und las das eigene Blatt. Als Berndorf eintrat, ließ er die Zeitung sinken und nahm über seine Brillengläser hinweg den Kommissar ins Visier. Berndorf bestellte einen Espresso. »Ich vermute, Sie nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, was Sie gestern alles in diese Zeitung hineingeschrieben haben«, bemerkte er höflich.
»Mit Erstaunen und Freude, ja«, antwortete Frentzel. »Das Staunen ist es, das den Menschen Gott näher bringt. Oder so ähnlich. Falls ich das gerade erfunden haben sollte, schenke ich es Ihnen.«
»Danke«, sagte Berndorf artig.
»Sie könnten mir auch was schenken«, fuhr Frentzel fort. »Ein aufmunterndes Wort für einen alten zerzausten Gerichtsreporter. Oder einen klitzekleinen Stein aus dem bunten Garten der Polizeidirektion.«
Berndorf sah ihn nachdenklich an.
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