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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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essigsaurer Tonerde vermutlich, Judith konnte den Geruch fast nicht ertragen. Aber sie wollte sich nicht zickig aufführen.
    Es war so weit gekommen, dass sie ihrem blauen Auge dankbar sein musste. Die Leiterin des Frauenhauses hatte lange gezögert, als sie Judith gesehen hatte; eigentlich hätten sie kein Zimmer frei, hatte sie gemeint, und Judith sehe so aus, als ob sie sich auch eine Pension oder ein Hotel leisten könne.
    »Er hat das ganze Konto abgeräumt«, hatte sie leise geantwortet. »Und als nichts mehr drauf war, hat er mich geschlagen. Das macht er immer so.« Und vorsichtig hatte sie nach der Schwellung unter ihrem Auge getastet.
    Die Leiterin hatte ihr dann das Zimmer unter dem Dach gegeben, das eigentlich für Praktikantinnen bestimmt war. Und Judith hatte sich als Sabine Holzschuh eingetragen; nein, Papiere habe sie keine, der Kerl habe sie ihr abgenommen, sie werde morgen deshalb gleich zur Polizei gehen.
    Nun lag sie da und presste das feuchte Tuch gegen ihre Wange. Jetzt nützt das wahrscheinlich gar nichts mehr, dachte sie. Aber was sonst sollte sie tun? Vermutlich wurde sie bereits von der Polizei gesucht. Also konnte sie weder in ihre Wohnung noch ins Büro. Wahrscheinlich war sie hier noch am besten aufgehoben. Aber für wie lange? Auf einem Bord über dem durchgelegenen Bett stand ein Transistorradio, eines von denen, wie sie schon lange nicht mehr hergestellt wurden. Sie schaltete es ein und suchte unter dem Krächzen und Rauschen das Regionalprogramm heraus. Aber es kam nur Blasmusik.

     
    Kovacz nickte Berndorf zu. »Wenn Sie es sich denn antun wollen.« Der Gerichtsmediziner ging ihm in die Leichenkammer voran. »Sie wissen ja, dass man ihn stückweise angeliefert hat. Eine — wie soll ich sagen — Gesamtschau kann ich Ihnen erst morgen liefern.«
    Der Wärter der Leichenkammer kam auf sie zu, ein untersetzter Mann mit dem wissenden Blick der Menschen, die den geheimen Sinn von was auch immer erkannt haben. Auf ein Zeichen von Kovacz zog er ein Kühlfach auf. Auf dem Rollbrett lag ein einzelner Kopf.
    Es war der ausgeblutete Kopf eines dunkelhaarigen Mannes. Der Rigor mortis hatte kräftige, gesunde Zähne freigelegt. Die Augen begannen, in die Verwesung zu schrumpfen. Niemand hatte sie ihm zugedrückt.
    »Alter 30 Jahre oder etwas darüber«, sagte Kovacz. »Nach erstem Überblick guter Gesundheitszustand, als er noch ganz war, hatte er einen trainierten, athletischen Körper und war etwas über 1,90 Meter groß.«
    »Der Mann war Amateurboxer«, antwortete Berndorf.
     
    Ein Zitherduo klimperte etwas, das nach »Drittem Mann« klang. Dann beendete der Ansager den »Nachmittag der bayerisch-schwäbischen Volksmusik« und kündigte Nachrichten aus der Region an. Judith Norden setzte sich auf und legte den Umschlag mit der Tonerde zur Seite.
    In einer Pressekonferenz hatte der Ulmer Oberbürgermeister dem Baudezernenten Klotzbach die Zuständigkeit für das Tiefbauamt entzogen.
    »Dies ist im gegenseitigen Einvernehmen mit Herrn Klotzbach geschehen«, wurde der Oberbürgermeister im O-Ton eingeblendet. »Der Baudezernent will damit gewährleisten, dass die Vorwürfe um den Betrieb der Erd-Deponie ohne Rücksicht auf einzelne Personen aufgeklärt werden können.«
    Am deutschen Bodenseeufer bereiteten sich die Anwohner auf ein neues Hochwasser vor, denn für den Abend war ein Föhnsturm zu erwarten.

    Was soll das alles, dachte sie.
    »Einen grausigen Fund haben Polizeibeamte in einem Neubau am bayerischen Donauufer gemacht. Hinter einer Kellermauer entdeckten sie die verstümmelte Leiche eines Mannes. Wie soeben von einem Sprecher der Ulmer Polizeidirektion bestätigt wurde, handelt es sich bei dem Toten um den 32-jährigen Stefan Rodek, der wegen Mordes und anderer schwerer Straftaten gesucht wurde.« Der Sprecher kündigte eine Direktschaltung zum Neuen Bau an, wo ein Reporter den Kriminalhauptkommissar Berndorf vor das Mikrofon bekommen hatte.
    »Immer weitere Kreise zieht der Fall um die Gasexplosion am Ostbahnhof, bei dem vor einigen Wochen ein Mensch getötet worden ist«, sagte der Reporter. »Die Explosion ist nach den bisherigen Ermittlungen vorsätzlich herbeigeführt worden. Als dringend tatverdächtig galt zuletzt ein 32-jähriger Mann. Jetzt ist dessen verstümmelte Leiche in einem Neubau gefunden worden. Wie viel Tote wird es noch geben, Herr Berndorf, bis die Polizei diesen Fall nun auch wirklich aufgeklärt hat?« Das kann nicht sein, dachte Judith. Ein Bluff. Die

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