Schwemmholz
standesgemäße Weise befreundet gewesen ist. Wenn er sich früher dazu anders geäußert haben sollte, so lässt sich das leicht erklären. Diese Beziehung ist ihm peinlich gewesen. Ich kann sogar einen Schritt weiter gehen. Als Rodek in Ulm aufgetaucht ist, war mein Mandant außerordentlich besorgt. Er fühlte sich bedroht. Genauer:
er befürchtete, erpresst zu werden. Auch er hält es für durchaus möglich, dass Rodek die Gasexplosion in diesem Abbruchhaus herbeigeführt hat — insofern zollt er Ihrer Ermittlungsarbeit ausdrücklich Respekt.«
Eisholm deutete eine leichte Verbeugung an. »Nur — er ist überzeugt, dass Rodek dieses Verbrechen begangen hat, um ihn unter Druck zu setzen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Rodek dabei die Unterstützung einer gewissen Judith Norden gehabt hat, der Assistentin meines Mandanten.«
Er zwinkerte kurz mit den Augen. »Ich deutete vorhin an, dass mein Mandant in der Wahl seiner privaten Partner nicht immer gut beraten ist. Er hat zu dieser Assistentin eine Beziehung gehabt, und diese dann auf eine vielleicht nicht sehr zart fühlende Weise abgebrochen. Mit verletzten Frauenherzen ist nicht zu spaßen. Das wissen wir doch alle.«
Befriedigt lehnte sich Eisholm zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Berndorf warf einen Blick auf Desarts. Der Staatsanwalt schien beeindruckt. Und erleichtert.
Das würde euch so passen, dachte Berndorf.
Auf Desarts Schreibtisch klingelte das Telefon. Der Staatsanwalt stand widerstrebend auf, ging zu seinem Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
»Für Sie, Berndorf«, sagte er dann.
Der Kommissar erhob sich und nahm den Hörer entgegen. Am anderen Ende der Leitung war Tamar. »Wir haben einen Toten gefunden.« Sie sprach ruhig und sachlich. »Die Leiche war hinter einer Mauer verborgen, am Ende eines Kellerraums. Als mir der Kapo sagte, dass an dieser Stelle gar keine Mauer vorgesehen war, habe ich ein Loch hineinbrechen lassen. Hinter der Mauer war ein Hohlraum, der knapp einen Meter hoch aufgefüllt war. Was drunterlag, war mit einer Schicht Beton abgedeckt.«
Berndorf hörte schweigend zu. Über den Dächern stand die Mittagssonne, und zwischen den Stores und dem Fenster summte eine dicke Fliege.
»Diese Betondecke war nicht plan, sondern hatte sich an einigen Stellen abgesenkt. Ich habe den Beton aufbrechen lassen. Das Erste, was wir gefunden haben, war ein abgetrenntes männliches Genital. Auch das, was sonst noch dazugehört hat, haben wir nur stückweise bergen können.«
»Es ist vielleicht nicht der richtige Moment«, sagte Berndorf. »Trotzdem Glückwunsch.« Dann legte er auf und sah Eisholm an. »Welfs Erklärung wird nicht reichen. Jetzt nicht mehr.«
Eisholms Gesicht blieb unbeeindruckt. Nur die Augenbrauen hoben sich leicht.
»Wir haben in einem von Welf errichteten Neubau eine Leiche gefunden«, fuhr Berndorf fort. »Eine männliche Leiche. Sie war hinter einer sorgfältig hochgezogenen Mauer verborgen.«
»Wer der Tote ist, wissen Sie nicht?«
»Nein, das wissen wir noch nicht«, antwortete Berndorf. »Er ist ein wenig schwierig zu identifizieren. Ich will sagen, man muss ihn erst zusammensetzen.«
»Bitte?!«
»Tut mir Leid«, sagte Berndorf. »Aber irgendjemand hat den Toten in Stücke zerlegt. Vielleicht, um ihn besser transportieren zu können. Ich weiß es nicht. Möglich, dass es sich bei dem Toten um den Justizangestellten Hartmut Sander handelt. Der Mann ist seit einiger Zeit verschwunden. Außerdem wusste er, was zwischen Welf, Rodek und Vera Vochezer vorgefallen ist. Er war der junge Mann, den Welf und Rodek hinauswarfen, bevor sie das Mädchen Vera vergewaltigten.«
»Das ist alles sehr merkwürdig«, meinte Eisholm. »Ich bezweifle zwar nachdrücklichst, dass dieser Tote etwas mit meinem Mandanten zu tun hat. Aber ich sehe ein, dass Sie ihn dazu befragen müssen.« Er erhob sich. »Herr Welf steht Ihnen heute Nachmittag zur Verfügung. Am Abend sehen wir weiter.«
Das Zimmer war winzig, mit schrägen Wänden, und aus dem kleinen Mansardenfenster sah man auf die Brandmauern einer Lagerhalle. Die Wände waren mit einem Muster aus gelben Sonnenblumen tapeziert, nebenan lärmten die beiden Kinder der dicken Italienerin, ein Junge und ein Mädchen, und es klang, als ob sich der Junge geradeso aufführte, wie er das von seinem Vater gelernt hatte. Die italienische Mamma war freundlich und mitfühlend und hatte Judith gleich einen Umschlag für die blaugelbe Wange aufgedrängt, mit
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