Schwemmholz
»vertraulich!« – um eine Überprüfung der Baustelle der Edim SA. Das Gespräch mit dem Wiesbrunner Bürgermeister kam Berndorf in den Sinn. Wer war noch der verärgerte Ulmer Unternehmer gewesen? Gföllner natürlich. Wie klein die Ulmer Welt doch ist. Gföllner war Vizepräsident der IHK.
»Aber lesen Sie ruhig weiter«, flüsterte Tautka.
Berndorf schlug ein zweites Schreiben auf. Im Briefkopf sprang ihm das Landeswappen und die Dienstanschrift des Innenministeriums entgegen. Wenige Wochen nach dem Brief der IHK hatte sich Staatssekretär Schlauff veranlasst gesehen, »die zuständigen Dienststellen auf die Zunahme illegaler Beschäftigung insbesondere in der Region Ulm hinzuweisen«. Nicht zuletzt ausländische Baufirmen seien dazu übergegangen, Beschäftigte ohne Arbeitsgenehmigung einzusetzen.
Eines von Tautkas blassblauen Augen richtete sich auf Berndorf. »Ich weiß nicht, Kollege, ob Sie jetzt gegen den Herrn Staatssekretär ermitteln wollen.«
Gleich muss er kichern, dachte Berndorf. Dann stand er auf und sah sich kurz in Tautkas Büro um. Es war sehr viel größer als das seine. An der Wand über dem Besuchertisch hing ein großes, gerahmtes Farbfoto. In einem grünen Garten lächelten zahnlückig zwei magerknochige, weißhäutige Kinder vor einem Swimmingpool. Dahinter sah man die Gartenfront eines großzügig angelegten Walmdachhauses.
»Nette Kinder haben Sie«, sagte er höflich.
Auf dem Rückweg sah Berndorf bei Tamar vorbei. Sie war gerade dabei, stenografische Notizen in ihren Computer einzugeben. Als er eintrat, sah sie hoch und lächelte ihn an. »Es gibt merkwürdige Wohltäter in dieser Stadt.«
Berndorf sah fragend zurück, nahm sich den Besucherstuhl und setzte sich rittlings. »Sie erklären es mir?«
Sie erzählte ihm von dem Ärger, den Hannah bekommen hatte, und wie sich der Ärger auf dem Revier unten fortgesetzt hatte, bis der Kollege Polaczek sie – Tamar – zu Hilfe rief. Berndorf begann zu ahnen, was Englin zu seinem Vier-Augen-Gespräch veranlasst hatte.
»Ich habe das Strafregister der beiden Männer überprüft, die den alten Mann fertig machen wollten«, fuhr Tamar fort. »Beide saßen hier in der JVA Thalfinger Straße, der eine wegen räuberischer Erpressung, der andere wegen Brandstiftung. Er hatte ein denkmalgeschütztes Haus abgefackelt, in einem Dorf auf der Alb. Angeblich hat er das nur so getan. Im Suff. Um es warm zu haben.« Sie machte eine Pause und sah Berndorf an. Der Kommissar hatte ganz leicht die Stirne gerunzelt.
»Ich weiß, Chef«, sagte Tamar. »Von Sachen, in die meine Partnerin verwickelt ist, soll ich die Finger lassen. Aber Hannah hat nur ganz am Rande damit zu tun. Und wer weiß? Vielleicht brennt nächstens auch das Haus am Ostbahnhof.«
Berndorf schüttelte den Kopf. »So plump läuft das hier nicht. Trotzdem – wer ist denn nun der Wohltäter, der die beiden Knaben da aufgenommen hat?«
»Welf«, antwortete Tamar. »Jörg Welf. Bauunternehmer und Architekt. Der, der die Großsporthalle bauen will.« Berndorf erinnerte sich an den Artikel im »Tagblatt« und auch an das Bild, auf dem Welf aussah wie einer dieser ausgebufften, zupackenden jungen Männer, die jetzt nach vorne drängten.
»Vor allem aber will er am Ostbahnhof eine neue Wohn-und Geschäftsanlage hochziehen«, fuhr Tamar fort. »Irgendetwas Weißes mit gläsernen Erkern und schniekem Schnickschnack, postmodern eben. Es muss ihn mächtig ärgern, dass da noch Leute wohnen und partout nicht weggehen wollen. Sie wollen es aus dem einfachen Grund nicht, weil sie da schon immer gelebt haben. Jemand wie Welf kann das nicht verstehen.«
»Vielleicht geh ich mal bei ihm vorbei«, sagte Berndorf. »Nur zur Sicherheit. Damit er weiß, dass wir Bescheid wissen.« Dann erzählte er von den Gesprächen mit Blocher und Tautka.
»Schlauff steckt da drin«, kommentierte Tamar. »Das wird nicht so lustig. Aber die Geschichte von Blochers entsprungenem Informanten ist gut. Jetzt weiß ich endlich, warum man den RD-Spitzel Hugler nirgends mehr sieht.«
Am Nachmittag rief Berndorf bei der Fahrbereitschaft an. Aber es stand nur ein alter Daimler zur Verfügung. Also nahm er doch seinen Citroën.
Die Erd- und Bauschuttdeponie Ulm liegt auf der Gemarkung der früheren Gemeinde Lettenbühl, auf der südlichen Seite des Flusses, wo der karstige Untergrund der Alb von der Moränenlandschaft Oberschwabens abgelöst wird. Schon auf der Anfahrt über die Bundesstraße stieß der
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