Schwemmholz
Telefonüberwachung in dieser italienischen Sache, Sie wissen schon. Es hat alles sehr gut geklappt, und die Berichte sind auch sehr gut übersetzt ...« Er war sich unschlüssig, wie er fortfahren sollte.
»Aber irgendwie weiß ich nicht, was davon einen Hinweis ergeben soll.« Fragt er mich jetzt um Rat, überlegte Tamar, oder soll das eine Anmache sein? Der junge Mann war so grün, dass er womöglich nicht einmal mitbekommen hatte, was vom Flurfunk längst in allen mutmaßlichen Details mitgeteilt und ausgebreitet worden war.
Sie ging dann mit ihm in sein Büro, und Kuttler zeigte ihr die Niederschriften. Zwei beim Gericht zugelassene Dolmetscher hatten den größeren Teil der Gespräche übersetzt, den Rest hatte Polizeihauptmeister Krauser beigesteuert.
Es waren über dreißig DIN-A4-Seiten, eine komplette Mitschrift der Telefongespräche, die am Vorabend in verschiedenen italienischen Restaurants geführt worden waren. Tamar blätterte sie durch und überlegte. Dann sah sie Kuttler an.
»Wenn ich das richtig sehe, führt ganz klar Quattro Stagione.«
»Ja«, antwortete Kuttler, »aber Pescatore liegt auch nicht schlecht. Ich weiß bloß nicht, ob ich das meinem Chef so vorlegen soll. Er bekommt so leicht diesen Blick, Sie wissen schon.«
»Moment«, sagte Tamar und deutete auf eine Gesprächspassage. »Das hier klingt doch viel versprechend.« Sie las vor:
»Trattoria Schäfflergasse, Anruf 23.10 Uhr. Am Apparat meldet sich eine Männerstimme.
Teilnehmer 1: ›Hallo.‹
Teilnehmer 2, ebenfalls eine Männerstimme: ›Grüß dich. Giovane hier. Geht es gut?‹
Teilnehmer 1: ›Grüß dich. Es geht.‹
Teilnehmer 2: ›Wie ist das Wetter bei euch?‹
Teilnehmer 1: ›Es ist ein Elend. Die Luft ist nicht gut.‹
Teilnehmer 2 macht eine Pause. Dann: ›Ach so.‹
Teilnehmer 1: ›Das mit dem Hund geht nicht in Ordnung. Ein Jäger war da. Er hat gesagt, der Hund hat Flöhe.‹
Teilnehmer 2 macht wieder eine Pause. Dann: ›Flöhe, ja? Du meinst, ich soll es Toto sagen?‹
Teilnehmer 1: ›Ich denke schon.‹
Teilnehmer 2: ›Mach ich. Also dann. Ciao!‹
Teilnehmer 1: ›Ciao!‹«
Tamar sah Kuttler ermutigend an. »Das ist doch was. Ein klarer, einfacher, tiefer Text.« Sie blätterte zurück, um nachzusehen, von wem die Übersetzung stammte. »Da schau her. Krauser hat es übersetzt. Einfach kongenial. Der Hund hat Flöhe. Ein Satz, wie in Marmor gemeißelt.«
Kuttler wiegte bedenklich den Kopf. »Der Englin dreht hohl. Er wird mich rausschmeißen. Ganz bestimmt.«
Berndorf war über Mittag in seine kleine Wohnung gefahren und hatte sich zwei Eier in die Pfanne geschlagen. Der kulinarische Zugewinn gegenüber dem Essen in einer der Kantinen, in denen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes abgefüttert werden, war eher bescheiden. Aber es war Donnerstag, und donnerstags hatte Professorin Barbara Stein ihren Seminarabend, weshalb sie in den Mittagsstunden noch zu Hause war und Berndorf sie ungestört anrufen konnte.
Sie hatten über Paris gesprochen, über Spiegeleier und darüber, wie sie in einer Neuköllner Eckkneipe serviert werden, waren wieder auf Paris gekommen und auf ein Zwischenspiel im Hotel, das sich an den Besuch einer Ausstellung über polynesische Fruchtbarkeitsriten angeschlossen hatte. Und irgendwann war ihr Gespräch bei dem Versuch angelangt, die Übelkrähe zu vertreiben, die auf den Namen Tristesse hörte und sich in den Zeiten des Alleinseins bei ihnen einzunisten versuchte. Der Versuch war nicht sehr erfolgreich gewesen.
Inzwischen war Berndorf in sein Büro zurückgekehrt und hatte sich darangemacht, den von Englin angeforderten Bericht zu schreiben. Vor einigen Jahren hatte auch er einen PC bekommen und bediente ihn inzwischen, wie er fand, mit gemessener Gewandtheit. Unterm Schreiben – er sah wieder die Lastwagen der Arge Echterdingen vor sich – stieg in seinem Kopf die Erinnerung an eine Zeitungsnotiz hoch. Er nahm sein Telefon und rief einen Kollegen im Stuttgarter Polizeipräsidium an. Er hatte Glück, Pfullinger meldete sich.
»Was willst du schon wieder, Ganef?«, sagte er zur Begrüßung.
»Was soll ich dich anrufen, ausgerechnet dich, wenn ich nichts wollte?«
»Warum hört man von dir auf eine Frage niemals etwas anderes als eine Gegenfrage?«
»Warum, bitte, soll ich keine Gegenfragen stellen?« Schließlich kam Berndorf zur Sache. »Hast du einen schlauen Fiffi, der mir raussuchen kann, wer an der Arge Echterdingen beteiligt ist? Das
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