Schwemmholz
aufsetzen. Oder mögen Sie Tee lieber?«
Berndorf meinte, ein Tee wäre ihm sehr recht, und war auf dem Weg, ehe er es sich recht versehen hatte.
Das Büro von Haun & Nachfolger lag in der Neustadt, an der Westseite des Karlsplatzes. Der Nachmittag war noch immer von der Aprilsonne aufgewärmt, und so ging Berndorf zu Fuß, über den Münsterplatz und durch die Platzgasse am Justizgebäude und dem gegenüberliegenden Hochhaus vorbei, in dem die Staatsanwaltschaft untergebracht ist. Durch die Syrlinstraße, die zu seiner Verwunderung keine Baustelle mehr war, gelangte er in die Neustadt. Das Viertel außerhalb des alten Wallgrabens war früher kleinbürgerlich gewesen, jetzt wohnten vor allem türkische Familien dort, dazwischen hielten sich kleinere Gewerbebetriebe. Unter den Bäumen des Karlsplatzes spielten Halbwüchsige Basketball, und um ein Freiluftschach standen Rentner und schauten sachkundig. Berndorf warf einen Blick auf die Stellung. Muntere Partie, dachte er, aber der weiße König steht mächtig unter Druck. Erst dann fiel ihm auf, dass einer der Spieler eine ältere stämmige Frau mit Kopftuch war. Sie hatte Schwarz.
Die meisten der Häuser, die den nahezu quadratischen Platz säumten, waren in den ersten Nachkriegsjahren wieder aufgebaut worden. Zwischen sie drängte sich ein Neubau aus Glas, Stahl und unverputztem Beton. Es sah aus wie ein Designer-Stuhl, den es in die Bahnhofsmission verschlagen hat. Am Eingang hingen zwei Firmenschilder aus poliertem Edelstahl, »haun & nachf., hochbau« stand auf dem einen, »jörg welf, architekt« auf dem andern. Berndorf trat durch eine Glastür in eine Empfangshalle. Die gläserne Außenfront hatte ihn einen lichtdurchfluteten Raum erwarten lassen. Aber über allen Schreibtischen waren Deckenleuchten eingeschaltet. Der Raum schien ihm überheizt.
Er wandte sich an eine Frau in einer Strickjacke, die an einem Schreibtisch mit einer Telefonanlage saß. Sie antwortete mit der Jungmädchenstimme, die ihm am Telefon aufgefallen war, und schickte ihn nach oben. Berndorf ging eine freischwingende Treppe hoch und überlegte sich, warum die Telefonistin in dem überheizten Büro eine Strickjacke trug. Die erste Etage war in einzelne Büros aufgeteilt; Berndorf klopfte
an der ersten Tür rechts und wurde hereingebeten. Er kam in ein helles Büro, mit einer Fensterfront zum Karlsplatz. An einem großflächigen Arbeitstisch saß eine junge Frau mit dunklen kurzgeschnittenen Haaren und einer Stupsnase; auf dem Tisch vor ihr lagen Entwürfe mit Aufrissen und Bauzeichnungen. Sie trug, dem Frühling um einiges vorgreifend, ein lindgrünes T-Shirt, warm genug dazu war es in dem Zimmer. An einer Stellwand hinter ihr hingen Pläne einer Wohnanlage Donau-Ufer, wie es in der Bildlegende hieß, die Pläne zeigten einen mehrgeschossigen Bau, dessen Balkone und Terrassen die Baumasse gliederten und zurücknahmen.
Die junge Frau rauchte, während sie die Entwürfe durchsah; sie hielt die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. Neben einem Aschenbecher lag eine Packung filterloser Gauloises. Als Berndorf eingetreten war, sah sie hoch, ließ ein kurzes Lächeln aufleuchten und drückte die Zigarette aus. Eine Ulmerin ist sie nicht, dachte Berndorf. Die Frau stand auf, ging um den Arbeitstisch und stellte sich vor. Der Kommissar erinnerte sich an das Zeitungsfoto, auf dem Judith Norden ihren Chef so hingebungsvoll angestrahlt hatte. In Natur sah sie aus wie ein kluger, wachsamer, weiblicher Clown.
Sie reichte ihm eine kleine feste Hand. »Herr Kommissar Berndorf?« Wieder lächelte sie. »Herr Welf erwartet sie bereits.« Sie ging ihm voran in ein zweites, größeres Büro. Vor einer breiten Fensterfront stand ein ausladender Schreibtisch mit einer freitragenden Glasplatte, die blank geputzt war und leer bis auf ein schnurloses Telefon und einen Laptop.
Ein Mann erhob sich von dem Tisch und wandte sich Berndorf zu. Er wirkte jung, war einen halben Kopf größer als der Kommissar und bewegte sich mit der ungezwungenen Sicherheit jener hoch gewachsenen Menschen, die nichts dabei finden, wenn andere Leute kleiner sind als sie selbst.
Jörg Welf hatte ein schmales Gesicht mit einer energischen Nase und einer ausgeprägten Kinnpartie; das Kinn wies ein Grübchen auf. Eine Drahtbrille gab ihm einen Anflug von Nachdenklichkeit. Berndorf registrierte braune Wildlederschuhe,
helle Jeans und darüber ein Sporthemd mit offenem Kragen.
Auf einer Baustelle warst du nicht.
Sie tauschten
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