Schwemmholz
einen Händedruck, dann bat Welf den Kommissar an einen Besuchertisch, auf dem ein Teeservice aus einfachem braunem Ton stand, und schenkte ihm ein. Die junge Frau war in ihr Büro zurückgegangen. Aus einer Schale nahm Berndorf etwas braunen Kandiszucker. Während er umrührte, blickte er auf ein großformatiges Acrylbild, eine nahezu abstrakte Komposition aus eisblauen, meergrünen und weißen Farbtönen mit einem fliehenden schwarzen Tupfer darin. Beim zweiten Hinsehen erkannte er, dass das Bild eine Seelandschaft vor einem Alpengebirge zeigte.
»Der Reiter und der Bodensee«, sagte Welf. »Eine Hommage an Langenargen. Wir haben ein Bootshaus dort. Mein Vater – er ist schon tot – war passionierter Segler. Mein Sport ist es nicht. Schon aus Zeitgründen.«
Berndorf nickte. Er nahm einen Schluck von dem Tee, der heiß und kräftig war.
Dann stellte er die Schale ab, zog aus einer Jackentasche die beiden Fahndungsfotos, die das LKA geschickt hatte, und legte sie vor Welf auf den Tisch. »Wir suchen diesen Mann im Zusammenhang mit einem Mordfall. Um es genauer zu sagen: im Zusammenhang mit dem Fall eines Mannes, den man erdrosselt und dann vor das Portal des Justizgebäudes gelegt hat.«
Welf nickte. »Ich habe davon gehört. In den Mittagsnachrichten kam etwas darüber. Aber ich verstehe nicht . . .«
»Der Mordfall hat möglicherweise mit Auseinandersetzungen in der Baubranche zu tun«, fuhr Berndorf fort. »Es könnte sein, dass dieser Mann« – er deutete auf die Fotos – »versucht hat, bei hiesigen Baufirmen Arbeit zu finden.«
»Wenn es so wäre, wäre es ja nicht unbedingt verwerflich«, meinte Welf.
»Sicher nicht. Deswegen habe ich Sie auch vertraulich sprechen wollen. Noch einmal: Der Mann ist Ihnen nicht begegnet? Auf Arbeitssuche? Oder auf Suche nach einer Wohnung?
Ihnen gehören doch Wohnblocks am Ostbahnhof. Es heißt, man könne dort kurzfristig unterkommen.«
»So? Heißt es das?«, fragte Welf kühl zurück. »Richtig ist, dass diese Häuser abgebrochen werden sollen. Das dauert aber noch. So lange vermiete ich kurzfristig. Es gibt Leute, denen ich damit helfen kann.« Er setzte die Brille ab und nahm die Fotos vom Tisch auf, um sie aus der Nähe zu betrachten. Ohne die Brille sahen seine Augen klein und eng stehend aus.
»Nein«, sagte er dann, »diesen Mann da habe ich nie gesehen.«
»Haben Sie einen Überblick, wen Ihre – eh – kurzfristigen Mieter sonst noch aufnehmen?«
Welf runzelte die Stirn. »Es ist ein bisschen viel verlangt, dass ich mich darum kümmern sollte.« Er setzte die Brille wieder auf. »Warum reden Sie eigentlich nicht Klartext mit mir?«
Berndorf blickte fragend.
»Wir alle wissen, dass es diesen Anschlag auf die italienische Baustelle gegeben hat,« sagte Welf. »Und dass der Mann, der das möglicherweise gemacht hat, freigesprochen worden ist. Wenn er jetzt tot vor dem Justizgebäude liegt, dann sieht das verdammt nach Mafia aus. Aber warum kommen Sie dann zu mir? Ich habe mich um den Bau von diesem Feuerwehrhaus nicht beworben, diese Kragenweite ist mir ein bisschen eng geworden. Also – was habe ich damit zu tun?«
»Wer hat Ihrer Ansicht nach denn dann damit zu tun?«
Welf blickte den Kommissar unwillig an. »Dass Gföllner der Mitbewerber der Edim SA gewesen ist, werden Sie ja wohl inzwischen wissen. Und damit Sie das nicht falsch verstehen: Jakob Gföllner, der Jockl, wie wir ihn nennen, ist ein eigenwilliger Geschäftspartner. Aber wenn er sich gegen Dumpingpreise wehrt, hat er meine volle Sympathie. Ich unterstütze es auch, dass er die Kammer eingeschaltet hat. Wir müssen die italienischen Mitbewerber durchaus nicht mit offenen Armen aufnehmen. Glauben Sie denn, ich oder Gföllner bekämen in Mailand einen Fuß auf den Boden?«
Berndorf wartete.
»Aber dass Gföllner etwas mit dem Brandanschlag in Wiesbrunn zu tun haben könnte – das kann nur jemandem einfallen, der wirklich keine Ahnung hat!« Sein Blick war zu dem Fenster gewandert, aus dem man einen Pulk weißer Wolken sah. Dann kehrte der Blick zurück. »Ich sagte Ihnen schon, dass Gföllner eigenwillig ist. Konservativ. Abweisend. Ulmisch eben. In seinem Büro verwenden sie noch immer die braunen Billigumschläge wie aus der Zeit vor der Währungsreform, irgendwann muss Vater Gföllner damals zu einem größeren Posten gekommen sein. Aber sowenig Jockl Gföllner einen anderen Briefumschlag benutzt als der Vater, sowenig heuert er einen Brandstifter an. Denn der Alte hätte
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