Schwer verliebt: Roman (German Edition)
einen blauen Pyjama mit dunkelblauer Paspel, auf seinem Nachttisch liegt eine Lincoln-Biographie und daneben brennt ein dickes, grünes Teelicht.
»Mein Gott«, sage ich kopfschüttelnd. »Wie bist du hier hereingekommen? Bist du eingebrochen?«
»Natürlich nicht«, erwidert Dad empört. »Ich habe ja im Lager vieles gelernt, aber nicht, wie man Sicherheitsschlösser knackt. Dein junger Mann hat mich eingeladen.«
»Mein…« Mir verschlägt es die Sprache. »Dad! Ich habe dir doch gesagt, er ist nicht mein junger Mann. Du hast doch hoffentlich nicht zu ihm gesagt, dass ich ihn lie …«
»Heather.« Dad schaut mich traurig an. »Natürlich nicht. Ich würde dein Vertrauen nie so enttäuschen. Ich habe Mr Cartwright gegenüber nur zum Ausdruck gebracht, dass mir meine jetzige Lebenssituation nicht gefällt, und er hat mir sein Gästezimmer angeboten…«
»Dad!«, stöhne ich. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Nun, das Chelsea Hotel war für einen Mann in meiner Lage wohl kaum ein geeigneter Ort«, sagt er geduldig. »Ich weiß nicht, ob du dir darüber im Klaren bist, Heather, aber im Chelsea Hotel haben viele Menschen mit kriminellem Hintergrund gelebt. Sogar Mörder. Das ist nicht die richtige Umgebung für jemanden, der versucht, ein anständiges Leben zu führen. Außerdem war es so laut. Ständig laute Musik und Autohupen. – Nein, das hier« er blickt sich zufrieden in dem hübschen Zimmer um – »entspricht mir wesentlich mehr.«
»Dad.« Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten und sinke auf die Bettkante. »Hat Cooper gesagt, wie lange du bleiben könntest?«
»Ja«, erwidert Dad und krault Lucy, die mir ins Zimmer
gefolgt ist, hinter dem Ohr. »Er hat gesagt, ich könne so lange bleiben, wie ich brauche, um wieder Fuß zu fassen.«
»Dad!« Ich würde am liebsten schreien. »Das kannst du nicht machen. Ich möchte ja gerne an unserer Beziehung, also an deiner und meiner, arbeiten, aber… du kannst Coopers Großzügigkeit nicht so ausnutzen.«
»Das tue ich ja gar nicht«, erwidert Dad sachlich. »Statt Miete werde ich für ihn arbeiten.«
Ich blinzele. »Was?«
»Er stellt mich bei Cartwright Investigations ein«, erklärt Dad ein bisschen zu stolz, finde ich. »Ich werde so wie du für ihn arbeiten und ihm dabei helfen, Leute zu beschatten. Er sagt, ich habe genau das richtige Aussehen dafür… unauffällig. Er sagt, ich kann mich unsichtbar machen.«
Ich blinzele heftiger. »Du kannst dich unsichtbar machen?«
»Ja, genau.« Dad öffnet die Schublade an seinem Nachttisch und holt eine kleine Holzflöte heraus. »Ich versuche es als Kompliment zu sehen, die Tatsache, dass ich so unauffällig bin, meine ich. Ich weiß, dass deine Mutter das auch so empfunden hat, aber mir war nicht klar, dass das allgemein gilt. Nun gut. Hör mal, das ist eine kleine Melodie, die ich im Lager gelernt habe. Sie ist so friedlich, und nach heute Abend kannst du sicher ein wenig Entspannung brauchen.« Er hebt die Flöte an die Lippen und beginnt zu spielen.
Ich sitze eine Zeitlang da und lausche auf die klagenden und, wie er angekündigt hat, seltsam friedlichen Töne. Dann schüttele ich mich und sage: »Dad.«
Sofort hört er auf zu spielen. »Ja, Liebes?«
Es sind all diese Kosenamen, die mich umbringen. Oder in mir den Wunsch erwecken, ihn umzubringen.
»Ich gehe jetzt ins Bett. Wir reden morgen früh darüber.«
»In Ordnung«, sagt er. »Allerdings weiß ich nicht, was es noch zu bereden gibt. Cooper ist ganz offensichtlich ein Mann mit Verstand. Ich wüsste nicht, warum ich etwas dagegen haben sollte, wenn er mich einstellen will.«
Das weiß ich auch nicht. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ich Cooper davon überzeugen soll, dass ich die Frau seiner Träume bin, wenn mein Dad ebenfalls hier wohnt. Wie soll ich ihm denn jemals das romantische Steak für zwei zubereiten, das ich schon so lange plane? An einem Steak für drei ist nichts romantisch.
»Mir ist klar, dass ich nicht immer der beste Vater für dich war, Heather«, fährt Dad fort. »Weder ich noch deine Mutter waren gute Vorbilder für dich. Aber ich hoffe, dass wir beide trotzdem eine liebevolle Beziehung zueinander aufbauen können. Das ist mein größter Wunsch, Heather, denn jeder braucht eine Familie.«
Familie? Brauche ich eine Familie? Fehlt mir das? Eine Familie?
»Du siehst müde aus«, sagt Dad. »Aber das ist ja auch verständlich nach dem anstrengenden Tag. Warte, vielleicht kann ich dich ja damit
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