Schwer verliebt: Roman (German Edition)
antwortet der Typ am anderen Ende der Leitung: »Wo soll er denn sonst sein? Er hat doch am Wochenende schon wieder ein Spiel.«
Dann legt er einfach auf. Aber das ist mir egal, weil ich bereits herausgefunden habe, was ich wissen will. Coach Andrews ist da. Das bedeutet, ich kann zum Winer-Komplex hinübergehen und ihn nach seiner Beziehung zu Lindsay fragen.
Nein, warten Sie. Das kann ich natürlich nicht. Ich habe es versprochen. Ich habe dieses Mal allen versprochen, dass ich mich nicht einmische.
Aber ich habe Magda auch versprochen, dass ich nicht zulasse, dass Lindsays Name durch den Dreck gezogen wird. Und wenn Coach Andrews tatsächlich mit Lindsay geschlafen hat, wie Kimberly behauptet, dann bedeutet das, dass er seine Machtposition ausgenutzt hat. Na ja, zumindest so viel Macht, wie ein Basketballtrainer über einen Cheerleader haben kann. Auf jeden Fall war es eine unpassende Beziehung.
Aber was sollte Lindsay in der Cafeteria vergessen haben, das sie Coach Andrews unbedingt zurückgeben musste?
Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden. Ich laufe aus dem Büro, hole mir aus dem Recycling-Stapel unten an der Kellertreppe noch rasch einen nicht zu kleinen Karton und durchquere gerade die Eingangshalle, als ich beinahe mit meinem Chef zusammenstoße, der mit zwei Tassen Kaffee aus der Cafeteria kommt.
»Wohin gehst du?«, will Tom wissen und mustert neugierig den Karton.
»Lindsays Eltern haben angerufen«, lüge ich. Es ist wirklich
beängstigend, mit welcher Leichtigkeit mir solche Ausreden über die Lippen gehen. Kein Wunder, dass ich mich nicht mehr traue, vor Publikum aufzutreten, es wird ja immer deutlicher, dass mein wahres Talent ganz woanders liegt. »Sie möchten, dass jemand ihr Schließfach im Winer-Komplex leer räumt.«
Tom blickt mich verwirrt an. »Ich habe gedacht, das hätten Cheryl und ihre Freundinnen schon gemacht, als sie den Pullover geholt haben.«
»Vermutlich nicht«, erwidere ich schulterzuckend. »Ich bin gleich wieder zurück. Bis später.«
Bevor er noch etwas sagen kann, stürze ich mich in die Kälte, wobei ich den Karton als Windschutz vor mein Gesicht halte. Ich komme nur langsam vorwärts, weil bisher noch niemand den Bürgersteig freischaufeln konnte. Es hat ununterbrochen geschneit. Aber ich habe meine Timberlands an, deshalb bleiben meine Füße trocken und relativ warm. Außerdem liebe ich Schnee. Er deckt die leeren Marihuana-Tütchen und Lachgas-Behälter auf den Gehwegen zu und dämpft die Straßengeräusche. Wer ein Auto besitzt, wird es allerdings mindestens eine Woche lang nicht ausgraben können, denn die Schneepflüge, die mit orange und weiß blinkenden Lichtern vorbeifahren, türmen den Schnee an beiden Seiten der Straße nur noch höher auf.
Aber es sieht wirklich hübsch aus. Vor allem im Washington Square Park, wo das Brunnenbecken voller Schnee ist und die Statuen von George Washington weiße Schneeperücken aufhaben. Eiszapfen hängen von den dunklen Ästen der Bäume, an denen früher einmal Verbrecher aufgehängt wurden. Nur Eichhörnchen huschen über die weiße Schneefläche unter diesen Bäumen, wo in alten Zeiten
keine grünen Bänke standen, sondern sich die Armengräber der Stadt befanden. Der Hundeauslauf ist ebenso leer wie die Spielplätze, die Schaukeln schwingen einsam im Wind. Leben herrscht nur auf dem Schachfeld, das wie immer von Obdachlosen und fanatischen Schachspielern, die jedem Wetter trotzen, bevölkert ist.
So liebe ich meine Stadt: fast leer.
Gott, ich bin wirklich eine abgestumpfte New Yorkerin geworden.
So hübsch die Stadt jedoch aussieht, ich bin trotzdem froh, als ich endlich am Sportkomplex angelangt bin und mir auf der Gummimatte den Schnee von den Schuhen treten kann. Auch mein Gesicht taut langsam auf, als ich meinen Ausweis hervorhole und ihn dem Sicherheitsbeamten zeige, der mich durchwinkt. Im Gebäude stinkt es wie immer nach Schweiß und Chlor aus dem Schwimmbad. Es ist fast leer, die meisten Studenten scheinen bei dem Wetter keine Lust zum Trainieren zu haben.
Nur die Stiefmütterchen machen da eine Ausnahme. Als ich mich über das Geländer im Innenhof beuge, sehe ich sie unten auf dem Spielfeld Korbwürfe trainieren. Da die Bänke alle zurückgeschoben sind, sieht das Spielfeld größer aus als sonst. Während ich zuschaue, wirft jemand Mark – ich erkenne ihn von oben an seiner Frisur – den Ball zu.
»Shepelsky«, sagt er. »Leg ihn rein.«
Geschickt fängt Mark den Ball, dribbelt und
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