Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
dürfen es sogar mit jedem Bein einzeln machen.«
William Tecumseh Barnes war ein breitschultriger Typ mit einer seit Football-Tagen platten Nase und sanften blauen Augen. Mit seiner Neigung zu Bierbauch und Doppelkinn dachte er manchmal, dass er seine beste Zeit hinter sich hätte. Aber Frauen gefielen diese himmelblauen Sterne, und er hatte seine eigenen Haare, die meisten immer noch braun, an den Schläfen leicht mit Zinn bestäubt. Er war vom Halfback der Highschool-Mannschaft zur Army und von dort zur Polizei gegangen und hatte fünfzehn Jahre im Sacramento PD verbracht, zehn als Detective im Morddezernat, bis ihn Familienangelegenheiten in die Bay Area führten.
Wills einziger Bruder Jack war ein Schwuler, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, schwul zu sein. Jack war mit sechzehn von Sacramento nach San Francisco gezogen
und mit zwanzig war er ein »bekannter Aktivist«, ein fanatischer Provokateur, der es fertiggebracht hatte, jeden vor den Kopf zu stoßen.
Will wusste, dass die Aggressivität über Idealismus hinausging; er hatte seine halbe Jugend damit verbracht, das Chaos aufzuräumen, das Jack anrichtete. Aber er gehörte nun mal zur Familie, auch wenn Will seinen Bruder nie wirklich verstand.
Als Jack ermordet wurde, waren ihre Eltern schon lange nicht mehr am Leben, und Will leistete seine Trauerarbeit alleine. Als der Fall allmählich kalt wurde, wusste er, was er zu tun hatte. Da er vor kurzem geschieden worden war und es weder Kinder noch sonstiges Gepäck gab, das ihn in der Hauptstadt festhielt, beantragte er eine befristete Beurlaubung. Daraus wurden zwei Jahre, in denen er nach dem Mörder seines Bruders suchte. Während er Jacks Tod untersuchte, lernte er nach und nach Jacks Leben kennen. Jacks Freunde begannen ihm Glauben zu schenken und zogen ihn ins Vertrauen, berichteten Bruchstücke, die sich zusammenfügen ließen wie die Quadrate einer Patchworkdecke. Am Ende stellte sich heraus, dass Jacks Tod einer dieser dummen Morde war: ein Streit mit der falschen Person.
Als es Zeit wurde, nach Sacramento zurückzukehren, stellte Will fest, dass er die Schönheit der Bay Area liebte und dass er gelernt hatte - wenn auch widerwillig -, die politische Vielfalt zu lieben. Er bewarb sich beim Berkeley PD, weil gerade die Stelle eines Detective frei geworden war und weil die Jagd nach dem Mörder seines Bruders an seinen Kräften gezehrt hatte und weil es wie ein ruhiger Job aussah.
Nicht heute Morgen mit Davida Grayson als Mordopfer.
Will duschte und rasierte sich und verschloss seine kalifornische Immobilie - einen vierundsiebzig Quadratmeter
großen Bungalow mit zwei Schlafzimmern und einem Bad. Als Will vor fünfzehn Jahren eine Anzahlung von fünfunddreißigtausend Dollar geleistet hatte, war es ein Loch gewesen. Jetzt war das Chaos beseitigt und verschönert, und er wollte verdammt sein, wenn es nicht die beste Investition war, die er je getätigt hatte.
Das Gebiet um Graysons Bezirksbüro an der Shattuck war mit gelbem Band abgesperrt. Alle Elstern waren an Ort und Stelle: Lokalfernsehen, Rundfunk, die Zeitungen. Barnes entdeckte Laura Novacente vom Berkeley Crier und winkte ihr zu. Sie waren vor zwei Jahren miteinander liiert gewesen, und obwohl es zu Ende gegangen war, war es nicht unfreundlich zu Ende gegangen. Laura schlängelte sich unter Zuhilfenahme der Ellbogen durch die Menschenmenge und stellte sich neben ihn, wobei sie dafür sorgte, dass sich ihre Hüften leicht berührten.
»Was ist los, Willie?«
»Das musst du mir sagen, Laura.« Barnes sah sich nach Amanda Isis um. Seine Partnerin wohnte in San Francisco, in einer Villa mit dreiundzwanzig Zimmern in Pacific Heights, von der man alles überblicken konnte. Sie würde mindestens noch eine halbe Stunde brauchen, bis sie es über die Brücke geschafft hatte. »Du bist vor mir hier angekommen, Lady.«
»Hörst du deinen eigenen Scanner nicht ab?«
»Nicht um acht Uhr morgens, das ist mir zu früh.«
»Ich habe gehört, ihr wäre in den Kopf geschossen worden.«
»Dann hast du mehr gehört als ich.«
»Gib mir irgendwas, Willie.«
Er musterte Laura mit einem raschen Schwenk seiner himmelblauen Augen. Sie war zehn Jahre jünger als er und hatte lange graue Haare, die im Wind flogen wie die Mähne eines
galoppierenden Pferdes. Immer noch diese durchtrainierte Figur; er fragte sich, warum es mit ihnen nicht geklappt hatte. »Der Captain hat eine Art Pressekonferenz -«
»Ich dachte, wir wären Freunde.«
Die
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