Schwere Wetter
würde.
Schweigend standen
sie neben dem toten Chinesen. Lüder sah auf den Lattenzaun, auf die in den
Angeln hängende Tür, die zu einem Hinterhof führte, auf die alte Pumpe und den
dreckigen Abfallbehälter. Die schmuddelige Gasse war kein Ort zum Sterben. Auch
nicht für Täter wie Wu Zang Tian.
Es vergingen ein
paar Minuten, bis der Rettungswagen und das Notarzteinsatzfahrzeug eintrafen.
Wenig später stießen zwei Streifenwagen der Rendsburger Polizei dazu.
Während sich die
Mediziner um Wu Zang Tian kümmerten und der Notarzt sogar eine Reanimation
versuchte, wies Lüder sich gegenüber den skeptisch dreinblickenden Beamten aus
und erklärte, auch Tödters Identität zu kennen. Der »Kriminalrat« reichte den
uniformierten Beamten. Sie gaben sich mit einer kurzen Erklärung zufrieden, die
Lüder lieferte. Ihr Bericht über den Einsatz würde relativ kurz ausfallen. Die
Hintergründe überließen sie gern dem Kriminalbeamten.
Nachdem der
Notarzt und die Rettungsassistenten ihre Bemühungen um eine Reanimation
eingestellt hatten, erklärte Lüder den Polizisten, dass er noch gemeinsam mit
seinem Begleiter etwas zu erledigen habe.
Inzwischen hatten
sich Schaulustige eingefunden, die für Lüder und Tödter nur widerwillig eine
Gasse bildeten. Fragen prasselten auf die beiden ein, und ein Mann hielt Lüder
sogar am Ärmel fest.
»Erzähl mal, was
ist da los?«, forderte er Lüder auf.
Der packte das
Handgelenk des Mannes, bog es zur Seite, dass es schmerzte, und fauchte ihn an:
»Noch einmal und das hat Folgen. Klar?«
Erschrocken wich
der Neugierige zurück.
Unbehelligt gingen
die beiden Männer zur Fußgängerzone.
»Sie waren Wu Zang
Tian auf den Fersen«, stellte Lüder fest.
Tödter nickte.
»Warum haben Sie
nicht mit der Polizei zusammengearbeitet?«
Tödter ließ in
einer hilflosen Geste die Arme herabsinken.
»In Ihrer Branche
heißt es: jeder gegen jeden. Auch gegen Freunde.«
Jetzt nickte
Tödter erneut.
»Der
Bundesnachrichtendienst darf nur außerhalb des Bundesgebiets tätig werden«,
stellte Lüder fest. »Was Sie gemacht haben, war illegitim.«
»Erklären Sie das
dem Bundesinnenminister«, sagte Tödter lapidar. »Wenn etwas massiv gegen die
Sicherheit der Bundesrepublik gerichtet ist, sind ziemlich viele Mittel
legitim. Sollen wir bei der Verfolgung akuter Bedrohungen, die die Residenten
und Agenten des BND im Ausland aufgedeckt haben,
an der Bundesgrenze haltmachen?«
»Die Chinesen sind
die kommende Weltmacht«, stellte Lüder fest. »Sie haben innerhalb kürzester
Zeit unheimlich viel zuwege gebracht. Sie sind technisch fast perfekt, bauen
Autos, fliegen in den Weltraum, haben eine Hochleistungsmedizin, produzieren
Menschen mit exzellenter Hochschulbildung en masse und tummeln sich auch in der Informationstechnologie.«
»Das trifft alles
zu«, bestätigte Tödter. »Aber wie sind Sie auf die Zusammenhänge gekommen?«
Lüder ließ unerwähnt,
dass er bis zum Schluss Zweifel an seiner Theorie hatte, dass die Aufdeckung
der Hintergründe einzig seiner Kombinationsgabe und Logik entsprang.
Stattdessen erklärte er:
»Hinter der ganzen
Aktion steckten die Interessen eines Staates. Privatwirtschaftliche Konzerne
wären nur an der einen Seite, den Algorithmen und Methoden des Datensammelns
und der Analyse, interessiert gewesen. Und das verbrecherische Superhirn, das
über solche Methoden die Welt regieren möchte, gibt es nur in der Phantasie in der
Welt von James Bond. Ausschlaggebend für mich war der Versuch, Prof.
Eglschwiler zu entführen, und dessen Erklärung, man habe sich auf dem Symposium
in Mailand auch Gedanken zu den gesellschaftspolitischen Konsequenzen der IT -Revolution gemacht.«
»Das ist ein
Baustein, an dem die Chinesen sehr interessiert sind. Bei allen Erfolgen in
wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Hinsicht gibt es im Reich der Mitte
noch politische Unfreiheit. Zumindest aus unserer, der Sicht der westlichen
Welt. Vielleicht verstehen wir es mit unserer Vorstellung von Demokratie nicht. Vielleicht können Sie eins Komma drei
Milliarden Menschen nur mit anderen Methoden und Denkweisen erfolgreich führen.
Jedenfalls nutzt die chinesische Elite die IT -Technik
zur Kontrolle und Steuerung der Bevölkerung«, stimmte ihm Tödter zu.
»Genau wie bei
uns, aber mit einer anderen Ausrichtung. Ein freies Internet ist für die
Regierenden in China viel gefährlicher als bei uns. Sie können die Massen nicht
nur für, sondern auch gegen die Führung
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