Schwere Wetter
nüchtern wirkte das
Gewerbegebiet, das zum Glück gleich am Ortseingang lag.
Lüder parkte vor
dem Eingang des Holzlandes und sah sich um. Ein halbes Dutzend Fahrzeuge war
dort abgestellt. Er stieg aus und schlenderte langsam auf den Haupteingang zu,
als aus einem geparkten Audi A3 der Mann ausstieg, der ihm in Itzehoe den
Zettel zugesteckt hatte.
Suchend sah sich
Tödter um. Er wirkte gehetzt.
Lüder reichte ihm
die Hand und nannte seinen Namen.
»Moin. Sie sind
wirklich von der Polizei?«, fragte Jens Tödter skeptisch.
Lüder bestätigte
es. »Möchten Sie meinen Dienstausweis sehen?«, fragte er.
»Danke«, winkte
Tödter ab. »Sie verstehen hoffentlich, dass ich unsicher bin. Ich habe gestern
mitbekommen, dass Sie von der Polizei sind. Um was geht es eigentlich? Weshalb
waren Sie bei uns im Betrieb?«
»Es sind Routineermittlungen
in einem Mordfall«, sagte Lüder bewusst vage.
»Mordfall?« Tödter
schien erstaunt. Seine Frage klang wie ein Echo.
»Ja. Das Opfer
heißt Dustin McCormick. Er war im IT -Bereich
tätig. Jetzt eruieren wir die Szene und suchen nach Verbindungen und Kontakten.
Sie haben selbst angemerkt, dass man sich in dieser Branche kennt. So groß ist
das Angebot in Schleswig-Holstein nicht.«
Tödter nickte
versonnen. »Stimmt. Deshalb ist mir auch sehr an Vertraulichkeit gelegen. Wie,
sagten Sie, heißt der Tote?«
»Dustin
McCormick.«
»Nie gehört.
Engländer?«
»Vermutlich
Amerikaner.«
»Da laufen nicht
so viele herum. Nicht hier bei uns.« Er zog die Stirn kraus. »Wir sprechen alle
Englisch miteinander. Das ist problemlos. Trotzdem hören Sie heraus, wer ein Native Speaker ist. Und die Amis haben noch einen anderen
Slang drauf. Da war mal einer. Der war zwei- oder dreimal bei uns. Er hat mit
dem Chef gesprochen.«
»Mit Anders
Malmström?«, unterbrach ihn Lüder.
Tödter nickte.
»Ja.« Er hob beide Hände wie zur Abwehr in die Höhe. »Ich habe aber nicht
mitbekommen, worüber die gesprochen haben. Der Amerikaner ist nie allein
gekommen. Da waren einmal zwei andere dabei. Beim zweiten Mal hat ihn nur einer
begleitet.«
»Wer war das?«
»Der eine war
Mahmud.«
»Mahmud
al-Rahman?«, fragte Lüder überrascht.
»Ja«, bestätigte
Tödter.
»Wissen Sie, was
er bei Ihnen für Aufgaben hat?«
»Nicht genau. Sie
haben das ausgeklügelte Sicherheitssystem gesehen. Ähnlich geht es intern mit
den Berechtigungen zu. Ich habe nur Zugriff auf Systemkomponenten, die meine
unmittelbare Arbeit betreffen. Und an Daten komme ich schon gar nicht heran.
Wenn wir testen, also die Programmfunktionen ausprobieren, so haben wir dazu
einen fingierten Datenbestand mit Donald Duck, Mickey Mouse und Ähnlichem.«
»Trifft das auf
alle Ihre Kollegen zu?«
»Es ist ein
merkwürdiges Klima im Unternehmen. Auf der einen Seite herrscht Offenheit und
Kollegialität, die ihresgleichen sucht. Das ist aber nur vordergründig.
Dahinter steckt ein großes gegenseitiges Misstrauen. Es ist kein Zufall, dass
alle Arbeitsplätze offen sind, man wie auf dem Präsentierteller sitzt. Unter
dem Vorwand, es diene der Kommunikation, wird Ihnen jeder Ansatz von Intimität
genommen. Leute wie ich arbeiten jeweils nur an einem einzelnen kleinen Modul,
ohne einen Überblick über das große Ganze zu haben. Ich habe auch keine Ahnung,
welcher Kollege noch am jeweils aktuellen Projekt mitwirkt. Die ganzen Module
werden durch sogenannte Supervisoren zusammengesetzt. Nur die wissen, wie die
gesamte Anwendung aussieht.«
»Ist das in der
Computerbranche so üblich?«
Tödter schüttelte
den Kopf. »Nein. Freunde, die in anderen Betrieben arbeiten, kennen eine solche
Vorgehensweise nicht. Überhaupt wirkt manches sehr geheimnisvoll bei ›global
data framework‹. Man fühlt sich ständig beobachtet. Gut, wir wissen, dass alle
Räume kameraüberwacht sind. Es gibt fast keine Ecken, in denen Sie sich der
Kontrolle entziehen können. Und das Konzept ist so angelegt, dass Sie die
Pausen in den Relaxzonen verbringen. Die sind als Inseln inmitten der
Arbeitsbereiche arrangiert.«
»Sie werden also
auch dort kontrolliert?«
»Ja«, bestätigte
Tödter. »Und ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass das
Nachspionieren nicht noch weiter geht. Mir käme nie in den Sinn, vom
Arbeitsplatz aus eine private E-Mail zu versenden oder aus den Räumen des
Betriebs zu telefonieren.«
»Eine solche
Überwachung ist unzulässig?«, fragte Lüder.
»Wie wollen Sie
das beweisen? Und wer wagt es, sich dagegen
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