Schwere Wetter
irgendeinem Zusammenhang mit einem Mord steht.«
»Schön. Und welche
Rolle soll ich dabei spielen?«
»Welche haben Sie
übernommen? Eine Hauptrolle? Sind Sie ein Statist? Oder hinter den Kulissen
aktiv, zum Beispiel als Drehbuchautor oder Regisseur?«
In al-Rahmans
dunklen Augen blitzte es kurz auf. »Sie haben Erkundigungen über mich
eingezogen.« Es war eine Feststellung. »Das ist praktizierte Demokratie, nicht
wahr? Was steht im Grundgesetz? Die Würde des Menschen ist unantastbar. Gibt es
einen geheimen Verfassungszusatz, der lautet: mit Ausnahme von Arabern?«
»Ich führe keine
ideologische Diskussion, sondern suche Mörder.«
»Aha. Und ich bin
einer?« Al-Rahman zog seine Manschette ein Stück in die Höhe. »Nur weil ich
eine dunklere Haut habe?«
»Hat man Sie an
der Hochschule überschätzt? Oder suchen Sie die Konfrontation? Ich verfolge
keine religiösen oder weltanschaulichen Ansichten, sondern Leute, die gegen das
Recht auf Leben verstoßen haben. Unabhängig vom Glauben. Also. Kannten Sie Marc
Wullenweber?«
»Ich habe von ihm
gehört.«
»Sie sind ihm nie
persönlich begegnet?«
»Mein Job hier ist
die Entwicklung hochkomplexer Programmlösungen. Für geschäftspolitische Dinge
sind andere zuständig.«
»Zum Beispiel
Frank Hundertmarck.«
»Ich habe mich nie
darum gekümmert.« Al-Rahman zeigte auf den Bildschirm. »Das ist meine Welt.«
»Und wenn Sie dort
Verbotenes tun?«
»Ist Nachdenken
verboten? Gibt es nicht ein Lied in Deutschland: Die Gedanken sind frei?«
»Natürlich. Der
Text stammt von Hoffmann von Fallersleben, dem wir auch unsere Nationalhymne
verdanken. Wobei der Ursprung sogar bis zu Walther von der Vogelweide
zurückgehen soll. Doch ich will hier kein Examen über deutsche Kultur ablegen.
An welch heiklem Projekt sind Sie derzeit tätig, dass sich sogar der
Datenschutz dafür interessiert? Und zwar so brennend, dass der zuständige
Sachbearbeiter hat sterben müssen?«
»Ich bin
Techniker. Fragen Sie Frank Hundertmarck. Der ist Manager.«
»Und? Wo ist der
abgeblieben?«
Al-Rahman zuckte
mit den Schultern. »Bei mir hat er sich nicht abgemeldet.«
»Sie sollten mir
der Einfachheit halber sagen, woran Sie arbeiten.«
»Das kann ich
nicht.«
Lüder nickte und
tippte sich mit den Fingerspitzen gegen die Seite seiner Stirn. »Ach ja. Jeder
von Ihnen bastelt nur an einem Modul, ohne einen Überblick über das große Ganze
zu haben. Sie sind alle nur kleine, unbedeutende Handlanger.«
Er sah, wie es
erneut in al-Rahmans Augen aufblitzte. Menschen aus anderen Kulturkreisen
hatten oft eine andere Vorstellung von persönlicher Ehre. Vielleicht war das
ein Ansatzpunkt. Sicher war der Jordanier stolz auf seine Leistung, seine
überragenden Fähigkeiten, die ihm von allen bescheinigt wurden.
»Ist das nicht
unbefriedigend, wenn Ihnen an der Hochschule Genialität bescheinigt wird und
Sie hier Bastelarbeit machen müssen wie die anderen, die sich irgendwie durch
das Examen gemogelt haben?«
Al-Rahman zog
verächtlich einen Mundwinkel in die Höhe. »Sie haben wirklich keine Ahnung, wie
es im richtigen Leben zugeht. Hier setzt sich die Klasse durch.«
»Und zu der
gehören Sie?«
Der Araber
schwieg, aber seine Körperhaltung verriet seinen Stolz.
»Gut, wenn Sie
nicht einer der unbedeutenden Schrauber sind, sollten wir uns gemeinsam
ansehen, was Sie entwickeln.« Lüder machte Anstalten, als würde er den
Schreibtisch umrunden und einen Blick auf den Bildschirm werfen wollen.
»Das verstehen Sie
doch nicht«, sagte al-Rahman. An der Stimme war zu erkennen, dass er von seiner
Aussage nicht vollständig überzeugt war.
»Lassen wir es
darauf ankommen.«
Al-Rahman warf
sich förmlich nach vorn, als wolle er mit seinem Körper das Display verdecken.
»Das ist geheim«,
sagte er mit Entschiedenheit.
»Vor mir gibt es
keine Geheimnisse. Und wer es versucht, den entlarve ich.«
»Pah!« Es sollte
verächtlich klingen, missriet dem Araber aber.
»Wie wollen Sie
verhindern, dass ich dahinterkomme, welch mysteriöse Dinge Sie hier entwickeln?
In letzter Konsequenz bleibt Ihnen nur, mich zu töten. So wie Sie Dustin
McCormick ermordet haben, weil er den Schleier gelüftet hat.«
»Ich habe
niemanden ermordet«, sagte al-Rahman.
»Nein.« Lüder
schüttelte den Kopf. »Nicht allein. Das waren mehrere. Aber vielleicht waren
Sie dabei.« Er bewegte seinen Zeigefinger, als würde er einem kleinen Kind
drohen. »Ich versichere Ihnen, dass ich Sie alle überführen werde.
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