Schwere Wetter
daß die Evakuierungsfreaks immer allein zu reisen schienen.
»Juanita«, sagte April Logan, »ich hatte schon immer das Gefühl, daß Sie einmal zu meinen Musterschülern gehören würden.«
»Danke, April.«
»In welche Kategorie würden Sie sich bei Ihrer kleinen sozialen Analyse einordnen?«
»Ich mich?« fragte Jane. »Ich bin Wissenschaftlerin.«
»Oh« - April nickte bedächtig -, »das ist ausgezeichnet.«
Jane lachte. »Sie sind ja auch hier, nicht wahr.«
»Natürlich«, meinte April Logan. Ihr gestyltes Haar hob sich ein wenig in der trockenen, sauren Brise, und sie musterte nachdenklich das Truppencamp und nahm alles mit ihren flachen, gelblichen, allesverstehenden Augen in sich auf.
Wenn die Dürre nicht gewesen wäre, hätte das Gelände ganz nett ausgesehen. Die Truppe lagerte westlich von Reno an der Interstate 40, in einer Gegend voll roter Steilfelsen aus bröckligem Sandstein, mit roter Erde und ausgetrockneten Wasserläufen voller Pacanobäumen, Espen und blühendem Geißblatt, ein Ort, wo Goldrute, wilder Wein, Kegelblumen und purpurfarbene Rankgewächse wuchsen. Der Frühling hatte noch nicht aufgegeben. Er war versengt und staubbedeckt, aber aufgegeben hatte der Frühling noch nicht.
April Logan trug einen maßgearbeiteten, mit goldenen Blättern bedruckten Papieroverall: eine perfekte, anatomisch geformte Adaption eines der psychedelischeren Ornamente aus dem Buch von Keils. Irgendwie paßte das zu April, als Oxymoron kostümiert herumzulaufen. Von einer postindustriellen Maschine ausgeführte präindustrielle Handarbeit, ein Konsumentenparadoxon aus dem widersprüchlichen Niemandsland der Kosten gegen Wert gegen Kosten. Und gleichzeitig war es auch noch recht hübsch. »Ich bin immer noch voll mit dem Projekt beschäftigt«, sagte April Logan. »Das Projekt wollte, daß ich hierherkomme, wissen Sie.«
»Sie scherzen.«
»Aber nein«, meinte April. »Das Projekt spinnt manchmal, aber scherzen tut es nie.«
Jane hatte als Studentin beim Aufbau des Projekts mitgeholfen. Professor Logan hatte es dann geduldig zum Laufen gebracht und jahrelang verbessert - eine schauerliche Schimäre, zusammengestoppelt aus genetischen Algorithmen und neuralem Netz. Eine postliterarische, neoakademische Korrelationsmaschine, ein Synchronizitätsgenerator mit MegaRechenleistung. In Aprils breitgefächertem analytischem Ragout gab es eine Menge unterschiedlicher Brocken: Demographie, Arbeitsmarktdaten, Konsumententrends. Die geographische Verteilung des netzwerkabhängigen Datenverkehrs. Sterblichkeitsraten, die Wanderwege von Privatwährungen. Und verschiedene geheimnisvolle Indizes für Grafikdesign - wie April selbst war das Projekt Experte für Trends auf dem Gebiet des Grafikdesigns.
Wenn sie über ihr Projekt sprach, ließ sich April gern über den geheimnisvollen Zusammenhang zwischen der Saumlänge in der Kleidermode und dem Aktienmarkt aus. Wenn die Kurse stiegen, wurden die Kleider kürzer. Fielen die Kurse wieder, gingen auch die Säume nach unten. Niemand kannte den Grund, dennoch war die Korrelation über Jahrzehnte hinweg verblüffend konstant geblieben. Irgendwann hatte der Aktienmarkt natürlich jeglichen Kontakt zur Realität verloren, und die Frauen, falls sie überhaupt noch Röcke trugen, scherten sich einen Dreck um die Saumlänge, doch eigentlich, meinte April, ginge es bei dem Projekt darum, moderne Korrelationen ausfindig und dingfest zu machen, solange sie noch neu seien und bevor das ständige gesellschaftliche Chaos sie notwendigerweise wieder hinfällig werden ließ. In Anbetracht des Chaos war die Frage nach dem Warum der Korrelation nicht exakt zu beantworten. Und in Anbetracht der genetischen Algorithmen war die Kausalverknüpfung innerhalb der Schaltkreise der Maschine nicht einmal logisch nachzuvollziehen. Auf jeden Fall war es April nicht in erster Linie um Rationalität und Kausalität zu tun. Bei der ganzen Angelegenheit ging es darum, ob Aprils umfassende Simulation die Realität so gut abzubilden vermochte, daß sie ein nützliches DesignWerkzeug darstellte.
Auf der Ebene der grundlegenden digitalen Operationen unterschied sich das Projekt gar nicht so sehr von Jerrys Wettermodellen - abgesehen davon, daß Jerrys Simulationen auf nachprüfbaren, allgemein anerkannten physikalischen Gesetzen beruhten, während April Logan keine Wissenschaftlerin, sondern eine Künstlerin und Design-Kritikerin war. Soweit Jane erkennen konnte, besaß Aprils Analysevorrichtung nur
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