Schwere Wetter
weiterhelfen. Ein ganzes Stück.«
Carol zögerte. »Das war ziemlich dumm von dir, mir das zu sagen. Ich bin schließlich auch ein Trouper, weißte.«
»Ist schon gut. Ich wollte, daß du's weißt.«
»Du vertraust mir wirklich, nicht wahr?«
»Carol, ich glaube, du bist hier der einzige gute Mensch. Einer der wenigen wahrhaft guten Menschen, denen ich je begegnet bin. Danke, daß du mir hilfst. Danke, daß du dich um mich kümmerst. Du hast es verdient, Bescheid zu wissen, deshalb hab ich's dir gesagt. Wahrscheinlich werde ich zwischendurch ohnmächtig. Mach dir nicht soviel Sorgen.«
Er öffnete das Döschen, schmierte die Paste mit dem Steuerhandschuh auf das Schlauchende, nahm dann all seinen Mut zusammen und schob sich den Schlauch behutsam den Hals hinunter. Er schaffte es, der Zungenwurzel auszuweichen, fühlte, wie der Schlauch den wunden und geschwollenen Schlund hinunterglitt, bis ins pochende Zentrum seiner Brust. Die Prozedur und vielleicht auch das vorhergehende Gespräch hatten ihn nervös gemacht, doch als die Wirkung des Betäubungsmittels einsetzte, verflüchtigte sich seine ganze Kraft wie ein aufstiebender Schwarm Wachteln und ließ ihn leer, kalt und benommen zurück.
Dann kam die Flüssigkeit. Sind Sie ein guter Schwimmer, Alex? Sie war kalt. Zu kalt, so kalt wie der Tod, so kalt wie der rote Laredo-Ton. Ein heftiger Rülpser brach aus seiner Lunge. Alex schnappte nach Luft, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, er spürte, wie eine gewaltige innere Flutwelle von dem Zeug durch seine Tuberkel glitt, eine widerliche, aberwitzige, kalte Amöbe. Er biß die Zähne in den Schlauch, geriet in Panik und setzte sich auf. Die Flüssigkeit schwappte in ihm, als habe man einem halbleeren Bierfaß einen heftigen Tritt versetzt, und er begann krampfhaft zu husten.
Carol stand mit verschränkten Armen da, die Verkörperung des Abscheus und Entsetzens. Alex zog am Schlauch, zog am Schlauch, zog am Schlauch, ein haßerfüllter Kampf mit einem widerlichen Bandwurm, und bekam ihn, Blasen spuckend, endlich frei. Carol sprang zurück, denn der Kanister leerte sich immer noch, der herabbaumelnde Schlauch spritzte, und Alex hustete in einem fort. Seine Lunge fühlte sich an wie blutiger Schaumgummi.
Er stand auf. Er fühlte sich entsetzlich schwach. Aber er war nicht bewußtlos geworden. Er war halb voller Lungeneinlaufflüssigkeit, und er war immer noch bei Bewußtsein. Er schleppte das Gewicht der Flüssigkeit mit sich herum wie eine obszöne Leibesfrucht.
Dann versuchte er zu reden. Er wandte sich Carol zu und bewegte den Mund, doch es kam nur ein Laut heraus, der von einem ertrinkenden Waschbär hätte stammen können, und sein Mund füllte sich mit zerplatzenden sauren Blasen.
Dann zerriß irgend etwas in ihm, und jetzt tat es auch richtig weh. Er fiel auf die Knie nieder, krümmte sich zusammen und würgte das Zeug auf den Bubblepak-Boden. Einen gewaltigen, ekelhaften Schwall, einen großen, ekelhaften, Blasen werfenden Klumpen. Ihm klangen die Ohren. Seine Hände waren damit bespritzt. Seine Klamotten waren voll damit. Und er wurde immer noch nicht ohnmächtig, es klappte einfach nicht.
Allmählich fühlte es sich besser an.
Carol starrte ihn ungläubig an. Die ganze Flüssigkeit rann aus dem Kanister, tröpfelte unerbittlich aus dem Schlauch. Dreh das ab, dreh das ab, bedeutete er ihr und gab gurgelnde Laute von sich, und dann schüttelte ihn ein neuerlicher Hustenanfall, und er machte einen weiteren langen, qualvollen Satz auf den endgültigen Zusammenbruch zu.
Im nächsten Moment schloß ihn Carol in die Arme. Sie setzte ihn aufrecht hin und lehnte ihn ans Tischbein. Sie blickte ihm ins Gesicht und hob ein Augenlid an, ihr breitwangiges Gesicht blaß und grimmig. »Alex, hörst du mich?«
Er nickte.
»Alex, das ist arterielles Blut. Das hab ich schon mal gesehen. Du hast eine Blutung.«
Er schüttelte den Kopf.
»Alex, jetzt hör mir mal zu. Ich hole jetzt Ed Dunnebecke, und wir bringen dich in die Stadt, in irgendein Krankenhaus.«
Alex schluckte mühsam. »Nein«, flüsterte er. »Dahin geh ich nicht, das könnt ihr nicht machen. Sag nichts. Erzähl's niemandem. Ich fühle mich schon wieder besser.«
ACHTES KAPITEL
Bis zum 15. Juni war auch dem eingefleischtesten Anfänger auf dem Gebiet der Wetterbeobachtung klar, daß sich über Oklahoma eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes zusammenbraute. Als unmittelbare Folge davon erlebte der Bundesstaat den größten Touristenansturm seit
Weitere Kostenlose Bücher