Schwere Wetter
ihn ins Waschbecken, ließ etwas Wasser darüberlaufen und wusch sich Hände und Unterarme. Dann holte sie den Papieranzug wieder heraus und trocknete ihn ab. Der Anzug war wieder leidlich sauber und im Nu trocken. Gutes, altes Papier. Sie zog ihn wieder an und schloß den Reißverschluß.
Dann öffnete sie die Tür. In der Ferne eines gewundenen Korridors vernahm sie Stimmen. Jane stapfte in ihren Geländestiefeln den Korridor entlang. »Leo?«
»Ja?« Er reichte ihr eine Tasse mit etwas Heißem. Milchkaffee. Er schmeckte ausgezeichnet. Und tat richtig gut.
»Leo, was in aller Welt machst du eigentlich hier?«
»Ich bin natürlich nicht zufällig hier.«
»Das hab ich mir schon gedacht.«
»Auch am schwärzesten Horizont gibt es einen Silberstreif«, meinte Leo lächelnd. Er geleitete sie in einen Wohnraum mit gewölbter, bombensicherer Decke. In einer Vertiefung gab es eine Sitzecke mit niedrigen, schwungvoll geformten Ledersofas. Die Wände waren aus stuckverzierter Keramik, und das Dach war eine dicke, einsturzsichere, gleichfalls stuckverzierte Keramikkuppel, unter der man sich wie in einem Roch-Ei vorkam. An einer Kette hing von der Mitte der Kuppel ein Kronleuchter aus Messing herunter. Der Leuchter pendelte sachte hin und her.
Es gab ein Mediencenter mit zwei Fernsehgeräten, die ohne Ton liefen, eine alte Hausbar aus Rosenholz und mehrere Sitzkissen aus Messing mit braun-weiß geschecktem Rindslederbezug. Zwei Skulpturen von Remington standen im Raum, die schnurrbärtige Viehtreiber beim Zureiten darstellten, und an der Wand waren zwei furchterregende Flinten mit achteckigen Läufen aufgehängt.
Und es befanden sich acht Leute im Bunker, Leo mitgerechnet. Zwei Frauen, sechs Männer. Zwei der Männer spielten an der gegenüberliegenden Seite der Sitzmulde mit mexikanischen Figuren Schach. Ein dritter hantierte behutsam an einem kreischenden Breitbandscanner, der an ein Antennenkabel angeschlossen war. Die übrigen vier spielten auf einem Couchtisch irgendein verwirrendes Kartenspiel, Binokel oder Poker vielleicht, und bedienten sich von einem Lacktablett mit in der Mikrowelle zubereiteten Appetithappen.
»Also, das ist sie«, verkündete Leo. »Darf ich vorstellen, Jane Unger.«
Die Anwesenden sahen mit verhaltener Neugier auf. Niemand sagte etwas. Jane nippte am warmen Kaffee und hielt die Tasse dabei mit beiden Händen fest.
»Entschuldige, daß ich keine Namen nenne«, sagte Leo.
»Weißt du, was eine wirklich gute Idee wäre, Leo?« meinte einer der Schachspieler in freundlichem Ton, über seine randlose Brille hinwegblickend. »Es wäre eine wirklich gute Idee, Ms. Unger wieder vor die Tür zu setzen.«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Leo. Er wandte sich den stummen Fernsehern zu. »Ach, sieh dir bloß mal dieses Chaos an«, meinte er. Seine Stimme war so tonlos, daß es Jane völlig überraschte. Sie stellte die Kaffeetasse ab. Leo schaute sie an. Sie nahm die Tasse wieder hoch.
»El Reno ist so ziemlich platt«, bemerkte der andere Schachspieler vergnügt. »Verdammt gute Ausbeute.«
»Wurde der Sendemast bei Woodward plattgemacht?« fragte Leo.
»Yeah. Kam vor drei Minuten runter. Gute Arbeit, Leo. Wirklich gute Arbeit. Professionell.«
»Das ist prima«, sagte Leo. »Ausgezeichnet. So, Jane. Was hättest du gern? Ein paar Frühlingsrollen mit heißem Senf? Du magst doch thailändisches Essen, oder? Wir müßten eigentlich noch was im Kühlschrank haben.« Er faßte sie beim Ellbogen und geleitete sie zur Kochnische.
Jane machte sich los. »Was, zum Teufel, treibt ihr hier eigentlich?«
Leo lächelte. »Kurze Erklärung oder lange Erklärung?«
»Kurz. Und mach schnell.«
»Also«, meinte Leo, »kurz gesagt, interessieren meine Freunde und ich uns für tote Winkel. Das hier ist ein großer toter Winkel, und deshalb sind wir hier. Wir haben mit voller Absicht hier Stellung bezogen, genau wie du und deine Truppe. Weil wir nämlich wußten, daß dies das Epizentrum der Verwüstungen durch den F-6 sein würde.«
»Leo, das muß man deinem Bruder lassen!« rief der zweite Schachspieler. »Ich persönlich hatte die größten Zweifel, was den sogenannten F-6-Tornado anging, ich dachte, das wäre zu weit hergeholt, ein Schuß in den Ofen, aber Leo, ich muß zugeben, ich habe mich geirrt.« Er richtete sich vom Schachbrett auf und hob einen Finger. »Dein Bruder hat wirklich Wort gehalten. Ich meine, guck dir bloß mal die Ausbeute an!« Er deutete zum Fernseher. »Diese Katastrophe ist
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