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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Wort. »Na los, Leo, sag's ihr schon. Mir macht das Spaß. Es kommt nicht mehr drauf an. Wir sind jetzt frei. Wir befinden uns innerhalb der großen Stille. Wir können offen reden.«
    »Das sieht dir ähnlich, Rosina«, meinte der Schachspieler angewidert. »Mich kotzt dieser Mist an! Es kotzt mich an, mitansehen zu müssen, wie jemand alle Vorsicht in den Wind schießen läßt und wie ein halbwüchsiger Einbrecher, der sich in irgendeiner Bar hat vollaufen lassen, sein Innerstes nach außen kehrt. Wir sind Profis, Herrgott noch mal, und das ist bloß irgend so eine Proletin. Hast du denn gar keinen Stolz?«
    »Das ist nicht irgend jemand«, widersprach Leo. »Sie gehört zur Familie. Das ist meine Schwägerin.«
    »Nein, bin ich nicht«, sagte Jane. »Ich bin nicht mit ihm verheiratet, Leo.«
    »Nebensächlichkeiten.« Leo zuckte verärgert die Achseln. »Jerry wird dich heiraten. Ich nehme an, das ist dir noch nicht klar, aber er wird es mit Sicherheit tun. Er wird dich niemals gehen lassen, weil er jetzt schon zuviel von dir in sich aufgenommen hat. Aber das ist gut, das ist gut, mir gefällt diese Vorstellung; du würdest Jerry doch niemals weh tun, oder? Nein, das sehe ich. Natürlich nicht. Das ist gut; wirklich gut.«
    »Du bist ein Idiot«, sagte der Schachspieler.
    »Jetzt hör mal«, fauchte Leo ihn an, »wenn ich weiter beim Großen Spiel mitmachen wollte, meinst du, ich wäre dann so weit gegangen? Kennst du sonst noch jemanden, der dir dein verdammtes Armband abnehmen könnte? Dann halt die Klappe und hör zu. Das ist das letzte Mal, daß du je von mir hören wirst.«
    »Wie du willst«, unterbrach ihn der Schachspieler mit ruhigem, feindseligem Blick. »Jane Unger, hören Sie mir zu. Wie ich sehe, sind Sie eine sehr aufmerksame Person. Hören Sie auf, mich so aufmerksam anzuschauen. Das kann ich nicht haben. Es ist langweilig und plump, Menschen zu drohen, aber ich drohe Ihnen, also hören Sie zu.« Er nahm seine manikürten Hände vom Schachbrett und legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich kann innerhalb von drei Sekunden etwas anstellen, wonach Sie achtzehn Monate lang eine klinische Schizophrene sind. Sie werden Stimmen in Ihrem Kopf hören, Sie werden über Intrigen, Verschwörungen und Feinde phantasieren, Sie werden sich mit Ihrer eigenen Scheiße beschmieren, und das alles läßt sich innerhalb von drei Sekunden mit weniger als dreihundert Mikrogramm bewirken. Manchmal erzählen mir tatsächlich Tote Geschichten… aber verrückte Frauen erzählen nichts als pathetische Lügen, und niemand schenkt einer Verrückten jemals Glauben, ganz gleich, was sie sagt. Habe ich mich klar ausgedrückt? Ja? Gut.« Er zog einen Läufer.
    Jane nahm mit weichen Knien auf einem der Rindsledersitzkissen Platz. »Leo, was hast du hier verloren? Wie bist du da hineingeraten?«
    »Es ging nicht um uns. Es ging niemals um uns. Es war für die Zukunft.«
    Die Frau ergriff wieder das Wort. »Das Tolle am Großen Spiel - ich meine, das wirklich Clevere und Innovative daran - ist, daß wir nicht einmal wissen, was wir getan haben! Das beruht alles auf elektronischen Tarnvorrichtungen, geheimen Zellen, Sicherheitsvorkehrungen, speziellem Knowhow, digitaler Anonymität und Verschlüsselung. Eine Zelle denkt sich beispielsweise fünf mögliche direkte Aktionen aus. Dann wählt eine andere Zelle eine dieser fünf Aktionen aus und zerlegt sie in voneinander unabhängige Teile. Und dann verteilen wiederum andere Zellen diese Arbeit auf kleine, voneinander unabhängige Aktionen, die bis zur Bedeutungslosigkeit fragmentiert sind. Als ob bedrucktes Papier und Geld noch immer etwas bedeuteten.«
    »Genau«, sagte der zweite Schachspieler und nickte. »Irgendwann meint zum Beispiel irgendein Theoretiker, es wäre doch ganz nützlich, irgendein übervölkertes Höllenloch von einer Stadt mit der bengalischen Cholera zu dezimieren. Und acht Monate später sieht jemand, wie sich kleine Papiersegelboote in einem Staubecken auflösen.«
    Jane war fassungslos. »Warum sollte jemand so etwas tun?«
    »Aus den besten Gründen«, antwortete Leo. »Um des Überlebens willen. Um des Überlebens der Menschheit und Millionen gefährdeter Spezies willen. Damit die Menschheit die Chance bekommt, sich aus dem schweren Wetter wieder zu wirklichem Sonnenschein und blauem Himmel emporzuarbeiten. Wir hatten viele Gelegenheiten, Maßnahmen zur Rettung der Erde zu ergreifen, und wir haben sie alle verschenkt, Jane. Alle ohne Ausnahme. Wir waren gierig

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