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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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du mich vorher um Erlaubnis fragst, Janey.«
    Sie schwieg.
    Diese Art Schweigen war er nicht gewohnt von seiner Schwester. Es war kein gereiztes Schweigen. Und auch keine mühsam unterdrückte Wut. Ein tiefes, unnachgiebiges Schweigen.
    Alex war perplex. Er hatte sich noch nie gut mit seiner Schwester verstanden, aber wenigstens hatte er es bisher immer geschafft, ihr Radar zu unterfliegen. Er hatte immer einen Draht zu ihr bekommen. Selbst wenn es hart auf hart kam, irgendein Fitzelchen von ihr bekam er immer mit den Zähnen zu packen.
    »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte er. »Die wollten mir doch bloß helfen.«
    Schweigen.
    »Du kannst mich nicht daran hindern, dorthin zurückzugehen.«
    »Ich glaube nicht, daß du dorthin zurückgehen willst«, sagte Juanita. »In der Klinik wäre man wenig erfreut, dich wiederzusehen. Ich mußte gewaltsam eindringen, um dich rauszuholen. Ich hab mir gewaltsam Eintritt in das Gebäude verschafft und einen Wächter mit der Spritzpistole zugekleistert.«
    »Du hast was?«
    »Hast du schon mal jemanden zugekleistert gesehen? Kein schöner Anblick. Besonders dann, wenn er's direkt ins Gesicht bekommt.« Juanita warf sich eine Handvoll Müsli ein. »Anders ging's nicht, sonst hätte er geschrien«, sagte sie, mutwillig mampfend. »Ich mußte ihm die Nase mit Aceton freimachen. Sonst wäre er auf der Stelle erstickt.« Sie schluckte und lachte. »Ich würde gutes Geld drauf wetten, daß er immer noch an der Wand klebt.«
    »Das soll wohl 'n Witz sein, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du sitzt doch hier neben mir, oder? Was glaubst du eigentlich, wie du in den Wagen gekommen bist? Dachtest du etwa, diese Banditen würden dich freiwillig gehen lassen? Als ich in dein Zimmer kam, warst du mit dem Kopf nach unten aufgehängt, du warst nackt, bewußtlos und an ein Metallgestell festgeschnallt.«
    »Mein Gott.« Alex fuhr sich durchs Haar und schauderte. Sein Haar war schmutzig - sein ganzer Körper war schmutzig, verklebt von Fieberschweiß und Körperausdünstungen. »Willst du damit sagen, du bist in die Klinik eingebrochen? Du persönlich? Mann, Janey, hättest du sie denn nicht verklagen können oder so was?«
    »Ich bin jetzt eine vielbeschäftigte Frau, Alex. Für Rechtsanwälte habe ich keine Zeit.« Juanita zog die Füße aus den Wanderstiefeln, ließ die Stiefel auf den Boden fallen und schlug die sockenbekleideten Füße auf dem Sitz unter. Als sie Alex anschaute, verengten sich ihre haselnußbraunen Augen.
    »Ich schätze, es würde eine Menge Ärger geben, wenn du dorthin zurückgehen und mich bei den dortigen Behörden anschwärzen würdest.«
    »Kommt gar nicht in Frage«, sagte er.
    »Du würdest mich doch nicht belangen oder so?«
    »Na ja, ich würde die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht ganz ausschließen«, sagte Alex, »von Dads Vorstellungen über das Familienvermögen mal ganz zu schweigen… Aber die mexikanische Polizei würde ich bestimmt nicht auf meine Schwester hetzen. Was, zum Teufel, ist bloß in dich gefahren?«
    »Einiges. Eine Menge.« Sie nickte. »Du wirst schon sehen.«
    »Was hast du mit deinem Haar gemacht?«
    Sie lachte.
    »Du färbst es nicht mehr«, fuhr er fort. »Das ist deine natürliche Haarfarbe, hab ich recht? Bräunlich. Gehst du nicht mehr zum Friseur?«
    Er hatte ins Schwarze getroffen. »Ach, das ist gut, daß gerade du das sagst, Alejandro. Yeah, ich seh aus wie ein Relikt aus grauer Vorzeit, stimmt's? Ich seh aus wie 'ne Pennerin! Weißt du eigentlich, wie du aussiehst, mein Hübscher? Du siehst aus, als wärst du fünf Tage nach einem Hurrikan angeschwemmt worden. Du siehst aus wie 'ne beschissene Wasserleiche.« Sie hob die Stimme. »Ich habe deinen Arsch in letzter Minute aus der Grube gezogen! Ich bin gekleidet, um ein Verbrechen zu begehen, du Blödmann!«
    »Früher hättest du auf jede Modenschau gepaßt, Janey.«
    »Früher mal«, sagte sie. »Ich hatte ein paar Designerklamotten, eine Saison lang. Mann, du vergißt aber auch nie was.«
    »Soweit ich zurückdenken kann, hattest du rotes Haar.«
    »Wirklich? Na ja, vielleicht hatte ich rotes Haar mal nötig. Damals, als ich meine Identitätskrise hatte.«
    Juanita steckte sich eine Strähne in den Mund, dann runzelte sie die Stirn. »Wir wollen doch mal etwas klarstellen. Ich weiß, daß du jederzeit über die Grenze zurück kannst, wenn du willst. Ich weiß alles über deine Szene, und ich weiß genug über deine beschissenen Schmugglerfreunde. Ich kann dich

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