Schwere Wetter
Arkadien für den Mesquit. Alle möglichen üblen Gewächse, die stanken, stachen oder kratzten, verpesteten die Gegend wie neureiche texanische Ölbarone.
Juanita langte zur Musikanlage.
»Kannst du dieses Thai-Zeugs mal abstellen?«
»Was möchtest du denn hören?«
»Irgendwas Passenderes. Vielleicht… ich weiß nicht… so ' ne sentimentale, verrückte Fiedelmusik. Mit Zedernflöten und Knochenpfeifen. Wenn ich mir hier in der Einöde dieses tropische Zeug anhören muß, werd ich ganz wirr im Kopf.«
»Alex, du hast keine Ahnung, was es heißt, hier draußen zu überleben. Du brauchst hier zumindest soviel Vorstellungskraft, daß du glauben kannst, du befändest dich irgendwo anders, sonst schlägt dir die Gegend wirklich auf den Geist.« Sie lachte. »Dann kriegst du den Starren Blick, Bruder. Dann fährst du einfach immer drauflos, jagst Eselhasen und ernährst dich davon, bis du krepierst… Hey, willst du mal richtig abzischen?«
»Häh?«
Juanita hob die Stimme. »Charlie?«
»Ja, Juanita?« antwortete der Wagen.
»Hey, Janey, wie kommt's, daß dich der Wagen Juanita nennt?« wunderte sich Alex.
»Vergiß es. Ist 'ne lange Geschichte.« Sie packte ihn bei der Schulter. »Bist du gut angeschnallt? Du hast doch Lust, oder? Dir ist doch nicht etwa übel oder so?«
Alex tätschelte das smarte Polster. »Wie soll das gehen auf so 'nem reaktiven Sitz? Eher würde mir auf 'ner Wohnzimmercouch schlecht werden.«
»Also gut, dann zeig ich dir mal, warum wir diese Art Sitze hier eingebaut haben.« Juanita beugte sich zu Alex hinüber, nahm ihm die Müslitüte vom Schoß, sah, daß sie leer war, dann faltete sie sie säuberlich zusammen und steckte sie sich hinter den Gürtel ihrer Baumwollshorts. »Charlie, ich brauche eine Geländekarte.«
Eine biegsame Zunge streckte sich aus dem Armaturenbrett hervor, die sich als Bildschirm entpuppte. Auf dem Monitor erschien eine Detailkarte im Metermaßstab. Kurz hintereinander leuchteten mehrere hochauflösende Satellitenbilder auf. Juanita nahm das Ende der Karte sanft in die Hand und betrachtete die flackernde Darstellung, dann tippte sie mit dem Finger darauf. »Charlie, siehst du diesen kleinen Hügel?«
»Zweitausenddreihundertundzwölf Meter in nördlicher Richtung«, antwortete der Wagen und umrahmte die Hügelkuppe orange.
»Charlie, bring uns dorthin, und zwar schnell.«
Der Wagen wurde langsamer und hielt am Straßenrand, mit der Schnauze zum Hügel.
»Halt dich fest«, sagte Juanita. Dann sprang der Wagen in die Luft.
Hüpfend nahm er auf den ersten paar Metern Geschwindigkeit auf, dann stieg er bis über die Wipfel der Mesquitbäume auf. Der Wagen schnellte sich, begleitet von einem Zischen, voran; es war, als würde man von Düsentriebwerken durch die Luft katapultiert. Alex spürte, wie die Stützzellen des Sitzes ihn wiederholt packten, wobei sie sich bewegten wie das Fleisch eines laufenden Tieres.
»Guck dir jetzt mal die Räder an!« jauchzte Juanita und zeigte darauf. »Siehst du, sie rollen nicht mal. Mann, das sind überhaupt keine Räder. Die Speichen sind smarte Kolben. Fühlt sich an wie in 'nem Hovercraft, findest du nicht?«
Alex nickte benommen.
»Alles wird genau vorausberechnet. Der größte Energieverbraucher in diesem Wagen ist nicht der Motor. Sondern die
Sensoren und die Schaltungen, die verhindern, daß wir bei unseren Sprüngen irgendwo gegen krachen!« Juanita jauchzte vor Begeisterung. »Ist das nicht stark? Gott segne das Militär!«
Sie sprangen über den letzten großen Busch, dann glitt der Wagen unbeirrt den geborstenen Hang empor, wobei die Speichen kaum Staub aufwirbelten. Aus der unheimlich ruhigen Fahrt konnte Alex schließen, daß der Wagen niemals ins Kippen oder Rutschen geriet. Die smarten Kissen an den Speichenenden stellten mit äußerster Behutsamkeit den Kontakt mit dem Boden her. Dann setzten die Speichen fest auf und wuchteten die diamantene Nabe hoch, hoben den Wagen in einem nahezu geräuschlosen Stakkato an, in zu rascher Folge, als daß Auge oder Ohr dem Vorgang hätten folgen können. Es war, als ritte man auf dem Rücken eines verflüssigten Geparden.
Auf der Kuppe des Hügels kam der Wagen so sanft zum Stillstand, als sänke er in flüssigen Teer ein. »Wird allmählich mal Zeit, die Glieder zu lockern«, verkündete Juanita mit leuchtenden Augen. Sie fuhr das Stoffdach ein, und die Morgenbrise wehte in den wieder lautlosen Wagen. »Komm, steigen wir aus.«
»Ich habe keine Schuhe«, sagte
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