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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Im Gegensatz dazu war die hohe, liebliche Luft, die ihn nun umgab, kühl und dünn und unwiderstehlich, ein erfrischender, galaktischer Äther. Alex hatte das Gefühl, sie wehte geradewegs durch ihn hindurch.
    In der Ferne schraubten sich mehrere Bussarde auf der Suche nach Aas in einer thermischen Strömung nach unten.
    Peters Stimme summte ihm in den Ohren.
    Alex nahm die Maske ab. »Was ist?«
    »Alles okay, Mann? Du antwortest nicht.«
    »Nein. Ich meine, doch! Kein Problem. Es ist toll hier oben! Flieg höher!«
    »Es sieht so aus, als hätten wir hier unten ein kleines Softwareproblem, Alex.«
    »Tatsächlich?« meinte Alex erfreut. »Einen Moment…« Er preßte sich die Maske aufs Gesicht, sog dreimal scharf die Luft ein. Irgendwo in der tief in seinen Tuberkeln verborgenen teerigen Substanz sprühte auf einmal blauer Schleim wie ein Haufen Wunderkerzen. »Los!« brüllte er.
    »Was?«
    »Mach schon, Mann, leg endlich los!«
    Peter verstummte.
    Das Vibrieren der Tragflächen steigerte sich zu einem Rütteln. Auf einmal neigte sich das Flugzeug vornüber und stürzte dem Boden entgegen. Der Fall dauerte fünf nervenzerfetzende, magenumstülpende Sekunden. Das Blut wurde aus seinem Herzen gedrängt, augenblicklich brach ihm der Schweiß aus allen Poren, und er fühlte an Armen und Beinen den eiskalten Griff des Todes.
    Dann fing sich das Flugzeug wieder mit heftig rauschender Verkleidung und durchflog den tiefsten Punkt einer Parabel. Alex' Kopf wurde so heftig gegen den Sitz geschleudert, daß er Sterne sah, und er fühlte, wie der Andruck das Blut in Hände und Füße preßte. Aus seiner Brust stiegen große, gummiartige Blasen empor.
    Das Flugzeug strebte schwankend dem Zenit entgegen.
    Alex preßte seine zitternden Blutwurstfinger auf die Atemmaske und inhalierte gierig frischen Sauerstoff.
    Das Flugzeug flog nun in Rückenlage und durchmaß irgendeinen zeitlosen Gipfel gewichtslosen Nichts. Alex, dessen Kopf im Innern des Helms schwamm, betrachtete die gewaltige, jungfräuliche blaue Fläche, die unter seinen nackten Füßen ausgebreitet war, aus Augen, die tränende, verquollene Schlitze waren. Sich loszumachen und in dieses grenzenlose Wunder hineinzustürzen, wäre nicht nur ein, sondern ein Dutzend Leben wert gewesen.
    Jane öffnete die Türklappe der Kommandojurte. Im Innern des großen Zeltes tigerte Jerry Mulcahey am Ende einer dicken Glasfaserleitung auf dem Teppich umher. Sein Kopf wurde umschlossen vom ultramodernsten VR-Helm der Truppe, und seine Hände steckten in wulstigen Datenhandschuhen. Jerry trug Papier, einen Rettungsanzug, der von regem Gebrauch kündete. Der rechte Papierärmel und beide Hosenbeine waren mit mathematischen Formeln bekritzelt.
    Als Jerry sich umdrehte und auf Jane zukam, erspähte sie durch das dunkle Displayvisier undeutlich sein bärtiges Gesicht, die Augen mit sanft gekrümmten weißen Umrissen versehen.
    Jerry hatte Zehn-Kilogramm-Gewichte an den Füßen befestigt, was ihm einen bleiernen, schwingenden Gang verlieh. Jane hatte ihn bei seinen virtuellen Marathonsitzungen schon häufig mit diesen Gewichten umhergehen sehen. Etwa jede Stunde blieb Jerry dann plötzlich stehen, hob die Gewichte hoch und schnallte sie dann an seinen behaarten Handgelenken fest.
    Jane schloß hinter sich den Klettverschluß des Eingangs, damit der Westwind keinen Staub hereinwehte. Dann wartete sie mit vor der Brust verschränkten Armen, bis Jerry von ihrer Anwesenheit Kenntnis nahm und aus dem seltsamen Ozean des Cyberspace auftauchte, der seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte.
    Schließlich wurde Jerry langsamer, die Karateschläge und balinesischen Gesten, die er mit den Datenhandschuhen vollführte, wurden ein wenig oberflächlicher, und schließlich kam er rutschend vor ihr zum Stehen. Er nahm den Helm ab, dessen Anzeigen verblaßt waren, stützte ihn auf die Hüfte und schenkte ihr ein bärtiges Lächeln.
    »Wir müssen miteinander reden«, sagte Jane.
    Jerry nickte knapp, dann hob er fragend die zottigen, blonden Brauen.
    Jane wandte den Kopf zu den beiden angrenzenden Nebenjurten. »Sind Sam oder Mickey im Moment da?«
    »Nein. Du kannst offen sprechen, Jane.«
    »Also, ich bin nach Mexiko gefahren und hab Alex geholt. Er ist jetzt da.«
    »Das ging aber schnell«, sagte Jerry. Er wirkte angenehm überrascht.
    »Schnell und schmutzig«, sagte Jane.
    Jerry legte den verkabelten Helm auf den Teppich, ging daneben in die Hocke und nahm schwerfällig Platz. »Also gut,

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