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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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mit den Fingern aufs papierumhüllte Knie.
    »Ich mußte das tun, denn er ist mein kleiner Bruder, und er war in ernsten Schwierigkeiten, und ich war mir sicher, daß er sonst gestorben wäre.« Jane wunderte sich, wie weh es tat, das auszusprechen, wieviel aufrichtigen Schmerz und Bedauern sie bei dem Gedanken an Alex' Tod empfand. So weit sie zurückdenken konnte, hatte sie sich über Alex geärgert, und sie hatte gemeint, dadurch, daß sie ihn rettete, einer lästigen familiären Pflicht nachzukommen. Nun aber spürte sie beim Gedanken an Alex' Tod eine brennende, tiefe, unvermutete Emotion, einen Schwall dumpfer Trauer und Panik. Sie war nicht vollkommen offen zu Jerry. Nun, das war schon öfter vorgekommen.
    Sie atmete tief durch und faßte sich wieder. »Ich hab Alex aus dieser Scheiße rausgeholt, und ich wünschte, ich könnte Verantwortung für ihn übernehmen. Aber das kann ich nicht. Ich glaube an unsere Arbeit. Du weißt, daß ich daran glaube und mein Möglichstes tue. Aber jetzt habe ich etwas getan, das wirklich nicht gut für die Truppe ist. Ich habe eine Menge Ärger mitgebracht. Tut mir leid, Schatz.«
    Jerry schwieg.
    »Du bist doch nicht sauer auf mich, Jerry?«
    »Nein, ich bin nicht sauer. Das kompliziert alles und bringt uns nicht weiter. Aber das Problem ist simpel, wenn man es simpel sein läßt. Für mich ist dein Bruder auch bloß wieder so ein Traumtänzer. Entweder er leistet seinen Beitrag, oder er fliegt raus.«
    Sie sagte nichts.
    »Wir schmeißen jedes Jahr Leute aus der Truppe raus. Das ist zwar häßlich, aber so was kommt vor. Falls es deinem Bruder passiert, mußt du dich eben damit abfinden. Bringst du das für mich fertig?«
    Sie nickte zögernd. »Ich glaube, ja…«
    Das brachte ihr einen von Jerrys berühmten Blicken ein. »Du solltest mir besser gleich sagen, ob du das schaffst. Falls nicht, dann wäre es für uns alle am besten, wenn ich ihn gleich rausschmeiße.«
    »Also gut«, sagte sie rasch. »Ich schaff's, Jerry.«
    »Vielleicht steht Alex ja seinen Mann. Wir werden ihm die Chance dazu geben.« Jerry stand auf, nahm den Helm in die Linke und ließ ihn an einem Riemen herunterbaumeln.
    Jane erhob sich ebenfalls. »Ich bin nicht sonderlich optimistisch, aber vielleicht schafft er's ja, Jerry. Wenn du ihn ein bißchen unter deine Fittiche nimmst.«
    Jerry nickte. Er schwang den Helm am Riemen hoch und fing ihn mit der anderen Hand auf. »Ich bin froh, daß du wieder da bist. Du hast dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht. Morgen kann dein kleiner Bruder was erleben. Da geht's entlang der Trockengrenze von hier bis Anadarko los.«
    »Phantastisch! Endlich!« Jane sprang mit einem Satz auf. »Ein megaschwerer?«
    »Kein F-6, aber die mittlere Strömung hat einiges Potential. Wir werden Zacken jagen.«
    »Das ist super!« Sie lachte laut auf.
    Im Eingang der Jurte tauchte ein Schatten auf. Es war Rudy Martinez, der Mann aus der Werkstatt. Rudy stand verlegen da, anscheinend bedauerte er die Störung. Jane schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, sie wollte ihm mitteilen, daß das Leben weiterging, daß die Truppe weiterzog, daß sie einen weiteren Trumpf im Ärmel hatte.
    Jerry nickte. »Was gibt's, Rudy?«
    Rudy räusperte sich. »Tune gerade alles für die Jagd… Was ist eigentlich mit dem Defekt in Charlies rechter Vordernabe?«
    »Ach, verdammt«, sagte Jane. »Mist, Mist, Mist… Los, komm, Rudy, das kriegen wir schon hin. Schauen wir's uns mal an.«
     
    Alex saß in einer wabbligen Plastikbadewanne und hatte einen tropfenden Schwamm auf dem Kopf. Er befand sich hinten in der Hangar-Jurte, wo Peter und Rick ihn hingeschleppt hatten, nachdem sie ihn vom Sitz des Ultralight losgeschnallt hatten, in dem er bewußtlos hing.
    Bussard, durch den VR-Helm von allen weltlichen Dingen losgelöst, hockte mitten in der Jurte auf einem Kissen. Systematisch testete er die Ornithopter zur Vorbereitung auf die bevorstehende Jagd bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
    Carol Cooper saß in der Nähe der Wanne auf dem Boden, damit beschäftigt, ein Paar Handgelenkschützer aus gegerbtem Hirschleder zu nähen.
    »Könnte ich vielleicht noch etwas Wasser haben?« fragte Alex. »Vielleicht ein paar hundert Kubikzentimeterchen?«
    Carol schnaubte. »Mann, du kannst verdammt froh sein, daß du überhaupt was bekommen hast. Meistens waschen wir uns hier mit ungefähr vier Eßlöffeln voll. Das heißt, falls wir uns überhaupt waschen.«
    Ein Trouper in hellgelber Katastropheneinsatzkleidung

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