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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Wangen streifte. »Höher, Mann!«
    »Wie du siehst, haben wir hier sechs größere Jurten und vier Fahrzeughangars«, erklärte Peter. »Drei der Masten sind der Fernmeldetechnik vorbehalten, außerdem gibt es noch vier kleinere Masten für die Wetterbeobachtung. Das schwarze Gitter neben dem Latrinenzelt, das sind Solarzellen.«
    »Ja, ja«, knurrte Alex.
    »Unseren Energiebedarf decken wir jetzt mit Solarstrom, aber die Windgeneratoren laufen ebenfalls rund um die Uhr.«
    »Hm…«
    »Die großen, weißen Stäbe, die das Camp umgeben, das sind Grenzpfosten. In erster Linie sind das Bewegungsmelder, aber es sind auch einige Sicherheitsvorkehrungen eingebaut; damit solltest du ein bißchen vorsichtig sein. Am Highway haben wir auch ein paar aufgestellt. Die großen, gelben Platten sind Moskitoköder. Die riechen genau wie menschliche Haut, und wenn eine Mücke darauf landet, ist es aus mit ihr.«
    Alex klappte das Visier wieder herunter. Er bewegte den Trackball auf die Menüleiste, aktivierte das mit Kommunikation überschriebene Menü und schaltete auf Handy. Peters Stimme wurde mitten im Fremdenführerspiel ausgeblendet. Ein Telefonmenü mit fünfzehn Schnellwahlnummern rollte nach unten. Umsichtigerweise waren auch die Namen beigefügt.
     
      1 Jerry Mulcahey
      2 Greg Foulks
      3 Joe Brasseur
      4 Carol Cooper
      5 Ed Dunnebecke
      6 Mickey Kiehl
      7 Rudy Martinez
      8 Sam Moncrieff
      9 Martha Madronich
     10 Peter Vierling
     11 Rick Sedletter
     12 Ellen Mae Lankton
     13 Boswell Harvey
     14 Joanne Lessard
     15 Jane Unger
     
    Das sah ganz nach digitaler Hackordnung aus. Es überraschte Alex, daß Juanita sich mit der Nummer fünfzehn beschieden hatte.
    Er klickte die Fünfzehn an. Es meldete sich Juanitas VoiceMail mit dem üblichen Ich-bin-im-Moment-gerade-nicht-da-Spiel. Er unterbrach die Verbindung und klickte die Vier an. »Hier spricht Carol.«
    »Ich schon wieder. Ich überfliege gerade euer Camp.«
    Carol lachte ihm in die behelmten Ohren. »Ich weiß, Mann, so was spricht sich hier schnell rum.«
    »Carol, gehe ich recht in der Annahme, daß das so 'ne Art
    Initiierungsritual ist, mit dem man Neulinge durch den Kakao zieht? Und daß mir bald jemand sagen wird, in diesem Flugzeug sei ein schwerer Softwarefehler aufgetreten? Und daß ich ein paar wilde Überschläge und Loopings machen werde, oder wie das Zeug heißt?«
    Carol schwieg einen Moment lang. »Für dein Alter bist du ganz schön helle.«
    »Was meinst du, wie soll ich mich verhalten? Soll ich den Macho spielen? Oder soll ich mir über Funk die Lunge aus dem Hals schreien und so tun, als wär ich total in Panik?«
    »Also, ich hab Zeter und Mordio gebrüllt und mich im Helm übergeben.«
    »Dann also die Macho-Tour. Danke für den Rat. Bye.«
    »Alex, leg nicht auf!«
    »Was ist?«
    »Ich glaube, ich sollte dir das besser sagen… Wenn du nicht schreist, und zwar ausgiebig schreist, dann werden sie den kleinen Vogel womöglich so hart rannehmen, bis die Tragflächen abbrechen.«
    »Du hast schon interessante Freunde«, sagte Alex. Er unterbrach die Verbindung und schaltete wieder auf Funkverbindung.
    »…unterstützen die Generatoren. Außerdem lassen sich die Ziegen damit gut im Auge behalten«, leierte Peter.
    »Das ist wirklich hochinteressant«, versicherte ihm Alex. Er öffnete das Ventil der Sauerstoffmaske und drückte sie sich fest auf Mund und Nase. Einen Moment lang meinte er, man habe ihn beschissen, doch dann setzte die Wirkung ein. Der Sauerstoff drang tief in seine Lungen vor und entfaltete sich dort wie eine liebliche, dichte Matte aus kühlem, blauem Pelz.
    Die Papierwände des Camps schrumpften unter ihm, als das Flugzeug seinen Aufstieg fortsetzte und sich mit der mathematischen Präzision einer Bettfeder weiter in die Höhe schraubte. Während reiner Sauerstoff bis in sein hellrotes Knochenmark strömte, wurde Alex auf einmal klar, daß er die ideale Methode entdeckt hatte, die texanische Hochebene zu erleben. Der Horizont hatte sich zu phantastischen, planetarischen, erhebenden Dimensionen erweitert. Nichts konnte Alex etwas anhaben.
    Aus dieser Höhe betrachtet, zeigte die Luft in Bodenhöhe ihren wahren Charakter. Alex bemerkte den organischen Schmutz der bodennahen Atmosphäre, die den ganzen Horizont umspannte. Sie wies eine dauerhafte Sepiafärbung auf, ein natürlicher Smog aus Schmutzstoffen, Staub und Pollen, aus Moder und Gestank und die Atemwege verstopfenden organischen Ausdünstungen…

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