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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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widerwillig ab. Die abgetrennte Spitze des Wirbelsturms verschwand in einer kollabierenden Wolke freigesetzten Staubes.
    Der mitten in der Luft gestrandete amputierte Tornado machte einen gewaltigen Satz nach vorn und setzte sich wieder mitten unter die Wolke. Dann versuchte er wieder Bodenkontakt zu bekommen, er streckte sich und kratzte über den Boden, verlor jedoch merklich an Kraft.
    Die beiden umeinander rotierenden Saugflecken gerieten ins Stolpern und prallten gegeneinander. Das größere Bein verschlang das kleinere. Daraufhin lebte der Tornado wieder auf, er reckte sich, berührte den Boden, und ein Dreckstrom schoß den Schaft empor. Mittlerweile war der Trichter jedoch erheblich dünner geworden und peitschte nervös und hektisch.
    »Er fasert aus«, sagte Martha. »Ich mag diese Phase. Dann werden sie wirklich unberechenbar.«
    Der Tornado hatte seinen Charakter verändert. Eben noch war er ein Keil gewesen, ein riesiger, stumpfnasiger Bohrer. Jetzt sah er aus wie ein schlapper Korkenzieher aus Schnur und Rauch.
    Große, abgeflachte, rotierende Brocken sausten den Korkenzieher hinauf und hinunter, große, schmutzige Zwiebeln aus eingesperrter Drehkraft, die ihn beinahe erstickten.
    Alle paar Sekunden wurde einer der eingesperrten Klumpen auf spektakuläre Weise ausgespien, zusammen mit großen Schmutzbändern, die zur Wolkenbasis hochzuklettern versuchten. Manchmal schafften sie es. Häufiger jedoch krümmten sie sich zusammen, schwammen zuckend in die Luft hinaus und verflüchtigten sich.
    Der eingeschnürte Tornado wurde noch schmaler, an manchen Stellen so dünn, daß er aussah wie eine große, kollabierende Windhose. Die klare Luft drum herum befand sich noch immer in heftiger Bewegung, war jedoch nicht mehr so turbulent, daß man es hätte sehen können. Die Luftströmungen schienen an Zusammenhalt zu verlieren.
    Der langgezogene Tornado zog sich schließlich zu einer unordentlichen, gewundenen Helix zusammen - als versuchte er, mit einem größeren, unsichtbaren Wirbelsturm zu verschmelzen, sich um einen größeren Kern zu wickeln und sein wildes, kleines Leben im Austausch für ein größeres Wüten aufzugeben.
    Doch er schaffte es nicht. Anschließend verzagte er. Er verlor all seine Kraft, Wellen der Auflösung liefen den Schaft hinauf und hinunter, der sprichwörtliche letzte Seufzer.
    Martha tastete systematisch die Wolkenbasis ab. Die rotierende Wolkenwand war auseinandergebrochen. Unmittelbar dahinter zeigte sich eine große, klare Aussparung, ein Fallstrom, in dem kalte Luft aus dem Bereich der Stratosphäre herunterstürzte, sich durch die Quelle des Wirbels nagte und dessen Rotation unterbrach. Der Wirbelsturm war tot, er existierte nicht mehr.
    Ein heller, schmutziger Regenvorhang tauchte auf, heraufbeschworen und eingesogen von den Todeszuckungen des Tornados.
    Martha kam unter der Wolkenbasis hervor in den hellen Sonnenschein herausgeflogen. »Siebzehn Minuten«, sagte sie. »Ziemlich gut für einen F-2.«
    »Das war ein ausgewachsener F-3«, widersprach Bussard.
    »Um was wetten wir? Warte nur, bis Jerry die Meßergebnisse der Düppel ausgewertet hat.«
    »Okay, F-2«, lenkte Bussard ein. »Für einen großen ist es noch ein bißchen früh am Tag. Wie sieht's mit Lenas Batterie aus?«
    »Nicht gut. Laß uns runtergehen, die Thopter aufladen, die
    Zelte abbrechen und dann machen, daß wir der Trockenlinie hinterherkommen.«
    »Gute Idee«, meinte Bussard. »Okay, du und der Pillenfreak, ihr brecht das Lager ab, und ich lande die Thopter.«
    »Wie du willst«, sagte Martha.
    Alex nahm Brille und Kopfhörer ab. Er schaute zu, wie Martha sich sorgfältig ihrer VR-Ausrüstung entledigte. Sie erhob sich vom Liegestuhl, streckte sich, grinste, schüttelte sich und schaute ihn an. Sie riß die Augen auf.
    »Verdammt noch mal! Haben dich etwa die Sturmböen erwischt?«
    »Ein wenig.«
    »Du bist wirklich unbezahlbar«, meinte Martha lachend. »Also, hoch mit dir! Wir müssen weiter.«
    »Warte mal«, sagte Alex. »Du meinst doch nicht etwa, nach dem hier gibt es noch einen?«
    »Kann schon sein«, sagte Martha und packte energisch ihre Ausrüstung weg. »Du hattest ganz schön Glück, dafür, daß das deine erste Jagd war. Jerry ist ein guter Nowcaster, der beste, den es gibt, aber er trifft nur bei jeder zweiten Jagd ins Schwarze. Okay, in letzter Zeit vielleicht in drei von fünf Fällen… Aber« - Martha reckte sich und schwenkte die Hand mit den schwarzlackierten Nägeln, als schwänge

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