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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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    Die Veranda lag wieder in vollem Sonnenschein. Der Gewitteramboß war nach Nordwesten weitergewandert und hatte dünne, hohe Zirruswolken in seinem Kielwasser zurückgelassen, wie die Schleimspur einer Schnecke.
    Alex stand auf, ging vorbei an Bussards und Marthas reglosen Beinen und blickte nach Norden. Die ganze Schlechtwetterfront wich rasch zurück und raste auf Oklahoma zu. Alex vermochte den Tornado, dessen Inneres er in Augenschein genommen hatte, nicht einmal mehr auszumachen. Entweder wurde ihm von den nähergelegenen Wolkentürmen die Sicht darauf versperrt, oder der Tornado befand sich bereits jenseits des Horizonts.
    Hinter der Gewitterfront war die Luft kühl, blau und lieblich. Der Himmel wirkte mild und klar und voller sanfter Naivität, als wäre an den Tornados jemand anders schuld.
    Alex trat wieder unter die Veranda, nahm ein antiseptisches Tuch und wischte sich den Dreck von Gesicht und Hals. Seine Brust, sein Hals und seine Arme waren gerötet von winzigen, verkrusteten Schnitten und den peitschenden Schlägen des Windes, als hätte er versucht, eine Katze in seinen Papieranzug zu stopfen.
    Vom Staub und dem hinter der Brille angesammelten Schweiß taten ihm die Augen weh. Er war müde und benommen und sehr durstig, und im Mund hatte er einen metallischen Geschmack.
    Jedenfalls blutete er nicht. Die Kratzer waren nichts Ernstes. Das Atmen fiel ihm wunderbar leicht. Und er hatte sich prächtig amüsiert.
    Er setzte sich wieder hin und legte die VR-Montur an.
    Martha umkreiste unter Mühen den Tornado. Das Rückgrat des Tornados hatte sich seitlich geneigt; oben war er fest in der sich bewegenden Wolkenbasis verankert, doch die Spitze schleppte hartnäckig über den Boden nach. Die erzwungene Streckung behagte ihm offenbar nicht. Die Spitze im Innern der Korona aus umherfliegendem Dreck war arg geknickt, und der schwankende Mittelteil schleuderte verdrießlich lange Schmutzfahnen aus sich heraus.
    »Du mußtest unbedingt den beschissenen Kern anbohren, stimmt's?« fragte Martha.
    »Yeah!« sagte Bussard. »Ich hab mich fast vier Sekunden lang im Schlund halten können!«
    »Du hast beide Mikros geschafft und Jesses Aufnahmeoptik ruiniert, Mann.«
    »Yeah«, antwortete Bussard gequält, »aber es ist kein Müll in dem Zacken. Ein bißchen Staub, ein bißchen Gras, sonst war er sauber!«
    »Du hast die blöde Macho-Tour bloß deshalb abgezogen, weil du mit den Düppeln hinterherhängst!«
    »Mach mich bloß nicht an, Madronich«, meinte Bussard warnend. »Ich hab den Kern angebohrt, und der Thopter fliegt immer noch, okay? Ich verlang ja nicht von dir, daß du jetzt Jesse fliegst. Du kannst dir den Mund zerreißen, wenn du einen Kern anbohrst und heil wieder rauskommst.«
    »Scheißdreck«, murmelte Martha.
    Mit dem Boden vor dem Tornado war etwas sehr Seltsames passiert. Ein großer Flecken war schneeweiß und dampfte merklich. Das Gebiet wirkte vulkanisch. »Was, zum Teufel, ist das denn?« fragte Alex.
    »Das ist Hagel«, antwortete Martha.
    »Hagel, über dem sich Bodennebel bildet«, erklärte Bussard. »Seht nur, wie dieses Baby das Zeug aufsaugt!«
    Beim Näherkommen des Tornados wölbten sich Fahnen von Eisnebel empor, krümmten sich und wurden von einer plötzlich sichtbar gewordenen Bodenströmung gepackt. Der Tornado stürmte Hals über Kopf durch die Schwaden und saugte von allen Seiten eiskalte Luftströmungen in sich ein, eine riesige, ausgefranste Rosette aus gequältem Nebel.
    Das Hagelmuster am Boden hatte einen Durchmesser von ein paar Dutzend Metern. Nach einer halben Minute hatte es der Tornado entfernt. Bis zu den Knien durch die eiskalte Luft zu waten, hatte ihn jedoch sichtlich gereizt. Das Dreckspucken in Bodenhöhe ließ drastisch nach. Dann erschauerte er von oben nach unten. Die trockenen Schmutzbänder auf halber Höhe wurden schmaler und verdunkelten sich. Als die Luft klarer wurde, zeigten sich im Innern des Schlauchs auf einmal zwei dichte Dreckrinnsale, die an ein Paar stolpernder, wirbelnder Beine erinnerten.
    »Siehst du das, Mann?« rief Martha triumphierend. »Saugflecken!«
    Der Thopter senkte plötzlich die Nase und wurde beinahe in den Wirbel hineingeweht. Martha legte ihn japsend auf die Seite und stabilisierte ihn wieder.
    »Paß auf«, meinte Bussard ruhig. »Der hat die Abwärtsströmung richtig fest am Wickel.«
    Der Tornado wurde langsamer und zögerte. In Bodenhöhe verlängerte sich die überdehnte Spitze, knickte scharf um und brach

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