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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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und erschreckend winzig. Erst als Alex den kleinen Jagdwagen der Truppe sah, wurde ihm das Ausmaß dessen bewußt, was er da vor sich hatte: der Fuß des Tornados hatte mittlerweile den Durchmesser eines Parkplatzes.
    Als der Tornado volle Größe und Geschwindigkeit erreicht hatte, wurde er munterer. Er marschierte zuversichtlich den flachen Hang eines Hügels empor, auf eine energische, flotte Art, hoch aufgerichtet und mit gereckten Schultern. Dann marschierte er den Hügel auf der anderen Seite hinunter und streckte seinen rotierenden Fuß durch die verrosteten Überreste eines Stacheldrahtzauns. Ein Dutzend verrotteter Zedernpfosten wurde auf der Stelle in Bodenhöhe säuberlich abgeknipst und mit einem letzten Frohlocken verhedderten rostigen Drahtes dreißig Meter hoch in die Luft gerissen.
    Der Zaun fiel als Drahtknäuel wieder auf die Erde. Als der Tornado die Straße überquerte, wirbelte er eine Staubbö auf.
    Um Alex herum wurde es ganz still und dunkel. Zunächst meinte er, Marthas Drohne sei zerschmettert worden und er habe den Kontakt zu ihr verloren; doch dann fiel ihm ein, daß der VR-Schirm von Natur aus blau und nicht schwarz war. Vor sich sah er Schwärze: schwarze Luft. Und er hörte über Funk Bussard atmen.
    »Das wirst du dir bestimmt nicht entgehen lassen wollen«, sagte Bussard. »So was mache ich nicht alle Tage. Ich werde den Kern anbohren.«
    »Wo sind wir?«
    »Wir sind auf Jesse und befinden uns unmittelbar über der Spitze. Wir sind in der Wolkenwand.«
    »Wir können hier nicht rumfliegen«, sagte Alex. »Hier ist es ja stockfinster!«
    »Klar, Mann. Aber Greg und Carol haben ihre Anlage eingeschaltet, und der Radarbus ist online. Ich habe gerade neunundsiebzig Bits - Shit! Ich meine Chips - in das Ding runtergeschickt! Jerrys Monitore qualmen schon! Wir werden den Kern anbohren, Mann! Wir gehen geradewegs in diesen Trichter runter, live, in Echtzeit, nur nach Instrumenten! Fertig?«
    Alex' Herzschlag wechselte zu einer schnelleren Gangart. »Yeah! Mach schon!«
    »In den Kern dringt auch kein Licht. Im Innern des Tornados ist es nahezu stockdunkel. Aber Jesse ist für Nachtsicht ausgerüstet - mit Rotlicht und Infrarot. Keine Ahnung, was wir geboten kriegen werden, aber irgend etwas werden wir sehen.«
    »Quatsch nicht, schieß los!« Alex drückte sich mit der flachen Hand die Brille auf die Augen.
    Ein in der Lautstärke begrenztes Brüllen hüllte ihn ein. Fahles rotes Licht erstrahlte vor seinen Augäpfeln. Er sauste den verengten, rotierenden Schlund des Monsters hinunter. Der Thopter erbebte heftig, ein Dutzend Mal pro Sekunde. Im Innern des Tornados war die Windgeschwindigkeit so hoch, daß sie eine eigentümlich unwirkliche Qualität bekam, wie die Erdrotation.
    Die Hölle besaß eine Struktur. Sie besaß eine Textur. Die rotierenden Innenwände waren ein verschwommenes, strähniges Gas, ein flüssiger, sich kräuselnder Glanz und ein harter, schwarzer, flatternder Festkörper, alles zugleich. Gewaltige, bauchig hervortretende Wellen und peristaltische Zuckungen krochen im Innern des Trichters empor, langsam und würdevoll, wie gewaltige schwarze Rauchringe aus dem Schlund eines gedankenverlorenen Riesen.
    Der Thopter ruckte einmal, dann noch einmal heftiger, schließlich geriet er außer Kontrolle und stieß gegen die Wand. Auf einmal wurde es vollkommen still.
    Das Bild erstarrte, dann löste es sich vor Alex' Augen in ein farbiges Muster aus blockartigen, nachleuchtenden Mustern auf.
    Dann setzte sich das Bild wieder zusammen und schaltete ruckartig auf Echtzeitwiedergabe um. Sie befanden sich außerhalb des Tornados, in freiem Flug, und torkelten mit der Eleganz eines fliegenden Ziegelsteins durch die Luft.
    Der Thopter breitete die Flügel aus und legte sich schräg auf die Seite. Bussard platzte laut in die plötzliche Stille: »Wir haben gerade beide Mikros verloren«, sagte er. »Druckabfall!«
    Alex starrte auf die Bildschirme vor seinen Augen. Irgend etwas stimmte nicht mit der Wiedergabe. Er merkte, daß seine Augen nicht mehr mitmachen wollten und daß sich hinter dem Nasenrücken ein Kopfschmerz aufbaute. »Was ist los?« krächzte er.
    »Ein kleines Anpassungsproblem«, räumte Bussard widerwillig ein. »Aber gar nicht so schlecht für einen glatten Durchflug.«
    »Ich kann mir das nicht ansehen«, wurde Alex klar. »Ich seh das Bild doppelt, das tut mir in den Augen weh.«
    »Mach ein Auge zu.«
    »Nein, ich halt das nicht mehr aus!« Alex riß sich die Brille

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