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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Ende?« fragte Martha.
    »Wunderbar, Martha«, antwortete Jerry, und das Lob und die Genugtuung waren seiner tiefen Stimme deutlich anzuhören. »Warte, ich schalte dich eben auf den Monitor… Okay, Martha, los! Nowcaster Ende.«
    Marthas Stimme verlor ihr statisches Knistern und ertönte wieder unmittelbar an Alex' Ohr. »Kommst du mit, Kleiner?«
    »Yeah.«
    »Dort wird's aber haarig werden.«
    »Okay. Okay. Okay.«
    Der Ornithopter fiel vom Himmel und senkte sich langsam herab. Die Wolkenwand über ihnen war erheblich dicker geworden, wenngleich sie sich nicht rascher zu bewegen schien. Der Thopter legte sich auf die Seite, und auf einmal bemerkte Alex unten am Boden ein unangenehmes Staubwölkchen. Die Staubwolke schien nicht sonderlich schnell zu rotieren. Statt dessen spuckte sie. Sie riß unbeholfen dünne, trockene Brocken ockerfarbener Erde hoch und versuchte sie beiseitezuschleudern.
    Martha überflog die Staubwolke und umkreiste sie. Alex hatte noch nie erlebt, daß Staub sich so seltsam und hektisch verhalten hatte. Der Staub bemühte sich verzweifelt, zu fallen, sich loszureißen oder auf irgendeine andere Art zur natürlichen Unbewegtheit von Dreck zurückzukehren, schaffte es aber einfach nicht. Statt dessen sackten ganze rauchgraue Klumpen von dem Zeug plötzlich in sich zusammen und verschwanden von der Bildfläche, als würden sie inhaliert.
    Dann begann mitten in dem trockenen, umherschwirrenden Dreck Wasserdampf zu kondensieren, und zum ersten Mal wurde Alex sich der wahren Gestalt und der erschreckenden Geschwindigkeit des Wirbelsturms bewußt. Die Luft wurde durch die schiere Wucht des Aufpralls sozusagen sichtbar.
    Der junge Tornado hatte eine eigenartige Bernstein- oder Ockerfärbung, wie ein Schwall Bühnenqualm eines Magiers aus einem rückwärts laufenden alten Kinofilm. Irgendein seltsamer Phasenübergang, düster, langsam und geheimnisvoll, erfaßte das Gebilde von unten nach oben. Durchscheinende Bänder bernsteinfarbenen Dampfs und ockerfarbener Dreck wirbelten langsam die Spindel empor, als Silhouette gegen Himmel und Erde sichtbar. Am Boden war er sehr schmal, dann wurde er allmählich breiter und dicker…
    Martha stieß in einer komplizierten, schrägen Acht neben dem Tornado tief hinunter und gewann ganz unvermittelt eine Menge Höhe. Alex zuckte überrascht zusammen. Dann erblickte er unmittelbar vor sich die Spitze des Wirbelsturms - die rotierende Wolkenwand streckte langsam dicke Dampfwurzeln zum Erdboden aus.
    Der Thopter sackte ab, pendelte sich wieder ein und schlug einen Bogen. Das Zentrum des Wirbelsturms wirkte trügerisch leer; ein Kern aus reinem Nichts, mit einer riesigen schwarzen Wand, die von oben darauf herunterschmolz, und ein Flaschenhals gequälten, emporsteigenden Staubs. Doch dann bewegte sich der Wandtrichter sehr plötzlich nach unten, in vier dicken, schwirrenden, voneinander deutlich abgetrennten Rinnsalen tiefschwarzer Oktopustinte, und er packte den kleinen Staubwirbel und fraß ihn auf, und es ertönte ein schreckliches Geräusch.
    Alex hatte gar nicht gemerkt, wie das Heulen des Wirbelsturms angeschwollen war. Doch nun, da der Tornado seine düstere Wildheit voll entfaltet hatte, ging ein groteskes Dröhnen davon aus, das die Erde erzittern ließ. Selbst über die beschränkten Mikrofone des Ornithopters machte es den Eindruck eines starken, komplizierten Geräuschs, ein Knirschen, Knattern und Schleifen, vor dem Hintergrund des furchtbaren Baßtons einer Kirchenorgel, ein Geräusch, das in den Ohren weh tat, mechanisch und organisch und orchestral zugleich.
    Der Trichter setzte sich in Bewegung. Er wurde ständig dicker, rotierte immer schneller und wälzte sich unberechenbar über den Boden. Dort vermochte er keinen großen Schaden anzurichten, denn da gab es nichts als Gras und Büsche. Jeder Busch, den er berührte, verschwand entweder oder wurde zerfetzt, doch dem Gras schien der Tornado nicht viel anzuhaben. Er zerrte flüchtig daran und überstäubte es mit Dreck, doch er bohrte sich nicht durch die Narbe. Er brüllte bloß, kreischte und summte vor sich hin, auf eine meditative, vollkommen dämonische Weise, und wühlte mit der schmalen Spitze mutwillig im Gras, wie ein umherwanderndes Mastodont auf der Suche nach Erdnüssen.
    Martha umkreiste das Gebilde in respektvoller Entfernung gegen den Uhrzeigersinn. Bei einer Umdrehung erhaschte Alex einen Blick auf das Verfolgungsfahrzeug Alpha, das reglos hinter dem Tornado stand, erschreckend nah

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