Schwere Wetter
Gesetze respektierten, anstatt weltweit operierender Piratenbanken, die nicht mehr dingfest zu machen waren und die aus durchlässigem Maschendraht, Verschlüsselungscodes und Spucke ihre eigenen Gesetze formten.
Juanita Unger war zufällig eine Erbin. Wenn sie hundert Jahre früher zur Welt gekommen wäre, überlegte Jane, wäre vielleicht eine nette, altmodische Durchschnittserbin aus ihr geworden. Mit Familiengeld, das aus einer seltsamen, altmodischen, industriellen und ladyliken Quelle stammte, so wie Waschmittel oder Kaugummi. Und wäre sie in glühender Liebe zu irgendeinem Wissenschaftler entbrannt, hätte sie ihm beispielsweise eine diskrete Stiftungsförderung zukommen lassen können. Und sie hätte dreimal die Woche zu seinem Forschungslabor hinausfahren und sich auf einem sofagroßen Rücksitz um den Verstand vögeln können.
Vielleicht hatte irgendeine Frau des zwanzigsten Jahrhunderts dies alles irgendwo, irgendwie, irgendwann tatsächlich getan. Falls ja, so hegte Jane keinen Groll gegen sie. Vielmehr wünschte sie, diese Erbin hätte ihren Spaß gehabt, während sie die Ressourcen des Planeten gedankenlos plünderte und ein Leben führte wie eine Made im Speck. Jane hoffte, es habe ein gutes Ende für die Frau genommen und sie sei friedlich gestorben und begraben worden, bevor sie erkannte, was ihre Lebensweise dem Planeten angetan hatte. Unter den gegebenen Umständen mochte ihr Leben durchaus interessant und angenehm gewesen sein. Doch es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Leben, das Jane Unger kannte.
Jane war ein Storm Trouper. Ein Storm Trouper, der zufällig Geld hatte, und sie war noch nie irgendwelchen Leuten mit einer so negativen Einstellung zum Geld begegnet. Die Trouper glaubten wirklich, Unwettertrümmer, ein bißchen Schrott, ein paar vergammelte Computer, Wirgefühl, Shareware, billiger Prickel und Jerrys Charisma wären genug zum Leben. Ging man davon aus, daß ihre Vorstellungen von Selbstversorgung hoffnungslos unpraktikabel waren, war es bisher erstaunlich gut gelaufen. Sie hatten ihre Reparaturaufträge und halfen hin und wieder bei Bergungsarbeiten. Die meisten hatten im Winter Zeitjobs in der Stadt, und ein paar, darunter auch Jane, blickten auf ehemals vielversprechende Karrieren zurück. So kratzten sie etwas Geld zusammen. Und angesichts der Tatsache, daß die meisten in Städten aufgewachsen waren, kamen sie ganz gut damit zurecht, das zu verspeisen, was sie jagten und/oder aus dem Boden holten.
Aber weil es ihnen an Kapital mangelte, leisteten sie keine erstklassige Forschung. Bis Jane Unger kam.
Jane hatte den ersten Hinweis auf Dr. Gerald Mulcaheys Arbeit in einer obskuren Nische des Wissenschaftsnetzes von Santa Fe entdeckt, sehr seltsam, sehr geheimnisvoll und kunstvoll unter nichtlinearen atmosphärischen Gleichungen vergraben, die auf der ganzen Welt vielleicht nur fünf Leute verständlich waren. Jane war nicht die erste Designerin, die auf Mulcaheys Arbeit gestoßen war. Die Kunde davon hatte gerade angefangen, sich in ihren Netzwerkkreisen zu verbreiten. Was man sich erzählte, klang zwar recht abstrus - aber Jane hatte ein Gespür für das, worauf es ankam.
Die schiere Gewalt dieser Grafiken hatte sie verblüfft. Es war ein virtuoses Spektakel, und der Typ hatte sich nicht einmal angestrengt. Er hatte eine hypnotisierende Virtualität aus sich windenden Flüssigkeiten erschaffen, während er zugleich ernsthaft bemüht war, das Verhalten der realen Welt wissenschaftlich zu beschreiben. Wenn er ein geeignetes Interface benutzt, ein wenig Sorgfalt aufs Editieren verwandt, die Farben und den Blickwinkel besser gewählt und sich mehr Mühe mit den Einzelheiten gegeben hätte, wäre die Arbeit bestimmt kommerziell verwertbar gewesen.
Und so hatte Jane, mit einigem Aufwand an NetzwerkZauberei, Dr. Gerald Mulcahey erfolgreich aufgespürt. Sie hatte sein Camp am Arsch der Welt besucht, mit ihm gesprochen und einen Deal mit ihm geschlossen. Sie hatte die Grafik eigenhändig überarbeitet und sie mit einem neuen Front End in ein Kunstverbreitungsnetz eingespeist. Und obwohl das ganze moderne Gefüge des Copyrights und geistigen Eigentums ein einziger Witz war - während des Ausnahmezustands war es vollständig zerschlagen und nie wieder neu aufgebaut und stabilisiert worden -, hatte Jane tatsächlich ein wenig Geld damit verdient. Und sie hatte Mulcahey Tantiemen gezahlt.
Natürlich hatte Mulcahey seine ganzen Tantiemen sogleich in neue Hardware
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