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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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juckte sie zwischen den Beinen, aber wenigstens war ihr Haar sauber, und sie roch gut. Das Gefühl von frischem, sauberem Papier auf ihrer feuchten Nacktheit, was dem Herumlaufen im Frotteemantel und mit einem Handtuch ums Haar im Truppenleben am nächsten kam, hatte sie sogar genossen. Draußen vor der Kommandojurte hallte das Camp von bestialischem Gebrüll wider, als Ed Dunnebecke einen weiteren Kessel kochendheißes Wasser in die Stoffwanne goß. Heißes Wasser fühlte sich so wunderbar an - zumindest solange, bis sich die Poren öffneten und Eds Desinfektionsmittel für Schafe zu brennen begann.
    Die Datenübertragungssysteme der Truppe abzuschalten, war eine knifflige Arbeit. Selbst die untergeordneten Systeme wie beispielsweise die kleinen Telefonschalter arbeiteten mit einer Million Zeilen uralter Firmenshareware oder mehr. Die Software war im zwanzigsten Jahrhundert von riesigen Teams von Softwareentwicklern entworfen worden, von Mitarbeitern der vom Markt verschwundenen Telefonimperien AT&T und SPRINT. Jetzt war sie Freeware, weil die Software veraltet war und weil alle, die daran gearbeitet hatten, entweder tot oder woanders beschäftigt waren. Diese Heerscharen von Fernmeldetechnikern waren nun ebenso zerstreut und ausgelöscht wie die Rote Armee.
    Diese Heerscharen von Telefonexperten hatten vor allem aufgrund der Automatisierung ihre Existenzgrundlage verloren und waren von immer leistungsfähigeren Spezialsystemen ersetzt worden, die sich nun um die Fehlersuche, Resets und Fehlerbehebung kümmerten. Heutzutage konnte jeder diese Technologie nutzen - jeder, der über einen Stromanschluß und einen Schreibtisch verfügte. Der Schweiß und das Talent zehntausender kluger Leute war in einen Kasten eingegangen, der in der Hand Platz hatte und den es auf dem Flohmarkt zu kaufen gab.
    Die Umschaltstationen der Truppe waren lächerlich billige kleine Kästen aus recyceltem, kotzgrünem Kunststoff, made in Malaysia. Sie kosteten etwa soviel wie ein gutes Paar Schuhe.
    Auf der ganzen Welt gab es keinen einzigen Menschen mehr, der vollständig begriffen hätte, was in diesen kleinen Kästen eigentlich vor sich ging. Genaugenommen hatte noch nie jemand die intellektuelle Struktur dieses komplizierten Geräts zur Gänze verstanden. Jedes Gerät, das mit einem Programm von über einer Million Zeichen lief, war dem unmittelbaren Begreifen entzogen. Außerdem war es einfach nicht möglich, auf einer intimen Zeile-für-Zeile-Basis dabei zuzusehen, wie diese modernen Wahnsinnschips den alten
    Programmcode verarbeiteten. Das war, als wollte man jede einzelne Unterhaltung auf einer Cocktailparty belauschen, auf der mehr Gäste erschienen waren als Manhattan Einwohner hatte.
    Als Einzelner konnte man nur auf einer sehr abgehobenen und abstrakten Ebene mit dem Programm kommunizieren - man mußte mit dem Programm sanft, höflich und geduldig verhandeln, so wie man im zwanzigsten Jahrhundert mit den Telefongesellschaften umgegangen sein mochte. Tatsächlich gehörte einem eine dieser alten Telefongesellschaften - alles, was dazugehörte, befand sich jetzt in dem Kasten.
    Wenn man auf den Interfacestapeln immer höher kletterte, weg vom schlüpfrigen Urgestein der Hardware, die Einsen und Nullen zermahlte, war es, als ginge man auf Stelzen. Und dann auf Stelzen für die Stelzen, und schließlich auf Stelzen für die Stelzen der Stelzen. Man konnte einen Stecker in die Buchse an der Rückseite des Kastens stecken und loslegen wie ein Wirbelwind. Bis irgendwo etwas abstürzte, was das Betriebssystem des Systems des Systems nicht zu diagnostizieren, einzuengen und zu umgehen vermochte. Dann warf man den kleinen Kasten weg und stöpselte einen anderen ein.
    Das System der Truppe war launenhaft. Was eher leicht untertrieben war. Zum Beispiel kam es auf die Reihenfolge an, in der man die Subsysteme ausschaltete. Es gab keine einfache oder direkte Erklärung dafür, warum das so war, aber darauf ankommen tat es.
    Jane behielt die Systemunvereinbarkeiten und die Unmenge der gefühllosen High-Level-Knoten, Ticks und Spleens mit professioneller Aufmerksamkeit im Auge. Sie führte Buch mit Kugelschreiber und Papier, in einem kleinen, ledernen Loseblattnotizbuch, das sie seit dem College besaß. Mickey, der
    Sysadministrator, und Rick, der Programmschleifer, hatten Jane besorgte Blicke zugeworfen, als sie sich zum erstenmal ernsthaft an den Truppencomputern zu schaffen gemacht hatte, doch seitdem hatte sie häufig genug bewiesen, was in

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