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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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jedoch eher, um ihre Nerven zu schonen, als um des Wagens willen, wie Alex vermutete.
    Die High Plains rund um Big Spring und Odessa hatten dieses Jahr zwar reichlich Regen abbekommen, aber die Truppe war mittlerweile weit nach Norden vorgestoßen, bis zum Paolo Dura Canon. Dort oben hatte der Frühling für das Grasland zunächst gut begonnen, doch dann war es abgestorben. Der unnatürlich reichhaltige Treibhausregen hatte wieder der gewohnten windigen Trockenheit Platz gemacht, und das Wachstum der überreizten Vegetation war erst ins Stocken geraten und hatte dann aufgehört. Sie war nicht gerade verdorrt - Pflanzen wie behaartes Moskitogras, Krummbüsche und Büffelgras waren viel zu zäh und niederträchtig, um einfach zu ›verdorren‹ -, aber sie wurden gelb, dürr und stachelig. Und oben in Oklahoma hatte es seit vergangenem März nicht mehr geregnet.
    Alex besaß eine hohe Toleranzschwelle für Langeweile. Wahre Rastlosigkeit erforderte ein gewisses Maß an animalischer Energie, die ihm einfach fehlte. Im Gegensatz zu den Troupern wurde er weder unruhig, noch beklagte er sich. Solange seine Lunge frei war und er einen Bildschirm zum Anschauen und einen Platz zum Schlafen hatte, war Alex im wesentlichen zufrieden. Er hatte nicht darum gebeten, sich einer Gruppe reizbarer Risikofreaks anschließen zu dürfen, um deren Ziegen zu hüten, doch im Grunde machte ihm das nichts aus. Das Wetter war wundervoll, die Luft war klar, ihm ging es gut, und man ließ ihn den ganzen Tag über mit ein paar Ziegen, der Kongreßbibliothek und einem smarten Seil in Ruhe.
    Das gefiel ihm. Die Ziegen waren ein aufmerksames Publikum für sein wachsendes Repertoire an Seilkunststücken, und sie stellten ausgezeichnete Ziele dar für die tückische Schlinge, die er am Seilende festgeschweißt hatte. Außerdem brauchte Alex sich jetzt, wo er ja die hohen Lederstiefel aus Matamoros hatte, keine Sorgen mehr um Dornen, Stacheln, Brennesseln und große, sich windende, giftige Klapperschlangen zu machen. Am lästigsten waren ihm die täglichen drei Mahlzeiten, bei denen er den Troupern persönlich gegenübertreten mußte. Außerdem schmeckte das Essen furchtbar.
    Daß man um der gemeinsamen Sache willen auf ihn geschossen hatte, war Alex' Ansehen im Camp sehr förderlich gewesen. Nicht viele Trouper waren schon beschossen worden, unter welchen Umständen auch immer. Bloß auf Ellen Mae war mehrfach geschossen worden, auf Peter einmal, auf Rudy ein paarmal im bürgerlichen Leben und auf Greg ›viele Male‹. Die Erfahrung, direkten Beschuß überlebt zu haben, stand bei den Troupern in hohem Ansehen, und im Dienste der Truppe beschossen worden zu sein, verlieh Alex ein gewisses Prestige. Die neuen Klamotten hatten ihm ein paar grummelnde, rotzige Bemerkungen eingebracht, doch dann hatte man sich daran gewöhnt. Alex wechselte sie niemals und wusch sie selten, außerdem hatte er aufgehört, sich zu rasieren. Die Jeans und das bestickte Hemd verdreckten rasch, und der Papiersombrero, den er niemals abnahm, wurde immer wabbliger und scheußlicher. Allmählich wuchs ihm ein unregelmäßiger blonder Bart. Irgendwann wurde er nicht mehr viel beachtet. Man erfüllte ihm seinen Wunsch und teilte ihm eine Ziffer zu.
    Als jedoch die Spannung im Camp wuchs, kam Alex zu dem Schluß, daß sich die Situation genügend gefestigt habe, um ein paar nützliche Schritte zu unternehmen. Er wandte sich wegen seiner rechtlichen und finanziellen Situation an Joe Brasseur.
    Alex war den Umgang mit Rechtsanwälten gewohnt. Er war in Gesellschaft der zahlreichen Anwälte seines Vaters aufgewachsen. Brasseur war ein seltsamer Typ; einer der wenigen Anwälte, die es nicht zu persönlichem Wohlstand gebracht hatten. Alex hegte den starken Verdacht, daß Brasseur während des Ausnahmezustands politisch auf der falschen Seite gestanden hatte.
    Die meisten Leute hatten diese Geschichtsperiode längst abgehakt und ihr besonderes Verhalten während dieser Zeit vergessen, aber Joe Brasseur war, wie andere Trouper auch, anders als die meisten Leute.
    Alex wußte, daß es sinnlos war, mit einem Anwalt zu sprechen, solange man nicht zu peinlichen Geständnissen bereit war. Da er sich ziemlich sicher war, daß Brasseur weder mit dem Rauschgiftdezernat unter einer Decke steckte, noch ein Bullenspitzel war, erzählte Alex ihm von den finanziellen Vereinbarungen, die er mit der clínica in Nuevo Laredo getroffen hatte.
    Die meisten Menschen gingen durchs Leben, ohne jemals eine

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